Militärparaden-Bilanz: Gähnende Leere auf den Trump-Rängen

Die militaristische Extravaganz, die Trump sich zu seinem Geburtstag erträumte, war kein Vergleich zu den Millionen, die landesweit gegen seine Politik protestierten

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Die „No Kings“-Proteste am Samstag brachten Millionen von Amerikanern auf die Straße, um ihrer Opposition gegen Präsident Donald Trumps zunehmend autokratische, autoritäre Regierungsführung Ausdruck zu verleihen. Am Montag erklärte die ACLU, dass über fünf Millionen Menschen an 2.000 Demonstrationen teilgenommen hätten. Diese Zahl wurde von anderen mit „No Kings“ verbundenen Organisationen bestätigt. Solche, die die Bewegung als Antwort auf die „diktatorisch anmutende“ Militärparade organisierten, die Trump zu seinem Geburtstag veranstalten ließ.

Während die liberale Opposition ihren Einfluss feierte, äußerte sich die Trump-Regierung nur verhalten zur Besucherzahl seiner Parade. Die angeblich auch dem 250-jährigen Bestehen der U.S. Army gewidmet war.

Offizielle Besucherzahlen fragwürdig – Realität vor Ort zeigt anderes Bild

In einer Stellungnahme gegenüber dem ROLLING STONE gab ein Sprecher von America250 – dem öffentlichen Arm der durch den Kongress autorisierten U.S. Semiquincentennial Commission, die die Parade organisierte – eine beeindruckende Schätzung ab. „250.000 Patrioten haben sich uns am Samstag angeschlossen. Trotz der Androhung starken Regens. Darüber hinaus haben mehr als 60 Millionen Amerikaner über Streaming-Plattformen und traditionelle Medien zugeschaut.“

250.000 Besucher. Das würde die Parade auf eine Stufe mit historischen Veranstaltungen wie dem Marsch auf Washington für Frieden in Vietnam 1965 oder dem Marsch auf Washington 1963 mit Martin Luther Kings „I Have a Dream“-Rede stellen.

Die Schätzung von 250.000 Teilnehmern zur 250-Jahr-Feier der Army bei einem Event namens „America250“? Ein bisschen zu symbolisch. Und sie entspricht nicht den Berichten von vor Ort. Das Weiße Haus verwies gegenüber ROLLING STONE auf einen Tweet des Verteidigungsministeriums. Der besagte, dass „HUNDERTE VON TAUSENDEN stolzer Amerikaner“ das Event besucht hätten. Eine genaue Angabe oder Quelle der Schätzung wurde vom Weißen Haus nicht geliefert.

Die Parade wurde offiziell zur Feier der Gründung der U.S. Army vor 250 Jahren abgehalten. Inoffiziell war die 45 Millionen Dollar teure Show mit Panzern, Bataillonen, Hubschraubern und Bombern die Erfüllung von Trumps lang gehegtem Traum von einer Marschparade. Dass sie an seinem Geburtstag stattfand? Sei (juristisch gesehen) ein Zufall gewesen.

Wenig Begeisterung – Parade verkommt zum Nischenereignis

Die Parade wirkte weniger wie die Machtdemonstration, die sich der Präsident erträumt hatte. Mehr wie eine inszenierte Veranstaltung für Militärgeschichte-Enthusiasten. Und das spiegelte sich auch in der Beteiligung wider. Wie zuvor von ROLLING STONE berichtet, war die Teilnahme schwach für ein Event, das große Teile von Washington, D.C. lahmlegte. Zuschauertribünen, die mit begeisterten Trump-Anhängern gefüllt sein sollten, blieben während der gesamten Parade weitgehend leer. Die Rasenflächen rund um das Washington Monument, die für einen großen Besucherandrang gesperrt worden waren, blieben spärlich bevölkert. Selbst als sich die Menge vor der zentralen Bühne versammelte, um der Rednerliste nach der Parade zuzuhören. Darunter auch der Präsident selbst.

Alte Muster: Trumps Realität versus Menschenmengen

Es wäre nicht das erste Mal, dass Trump und seine Verbündeten einen Kampf mit der Realität über Besucherzahlen führen, um das Ego des Präsidenten zu beruhigen. Man erinnere sich nur an seinen Wutanfall 2017 wegen der Größe der Menge bei seiner Amtseinführung. Am 6. Januar 2021 forderte er, die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Ellipse zu lockern, um die Menschenmenge bei seiner berüchtigten „Stop The Steal“-Rede zu vergrößern. (Er behauptete später, er habe eine größere Menge als der Marsch 1963 – was nicht stimmte.) Wie bereits von Rolling Stone berichtet, war Trump während des Wahlkampfs 2024 geradezu besessen von der Größe der Menschenmengen bei den Veranstaltungen seiner Gegnerin – der ehemaligen Vizepräsidentin Kamala Harris – und beschuldigte deren Kampagne sogar, KI-Manipulation zur Vergrößerung der Mengen eingesetzt zu haben.

Viral verspottet – Parade als gescheitertes Spektakel

Nachdem Videos von quietschenden Panzern, halb leeren Tribünen und aus dem Takt marschierenden Soldaten in den sozialen Medien viral gingen, wurde die Parade zum Gegenstand weit verbreiteten Spotts. Nicht aus Geringschätzung gegenüber der Army und ihrer Geschichte, sondern weil das ganze Event wie ein schlecht ausgeführter Versuch wirkte, den Mann zu unterhalten, der derzeit aktive Marines nach Los Angeles entsendet, um die ICE-Razzien gegen Migrantengemeinschaften zu unterstützen und Gegner einzuschüchtern.

Landweite Protestwelle – Millionen demonstrieren gegen Trump

In Los Angeles – wo seit über einer Woche Proteste gegen ICE und Zusammenstöße mit der Polizei stattfinden – schätzten die „No Kings“-Organisatoren die Teilnehmerzahl auf 200.000. Die New Yorker Polizei bezifferte die Menge in Manhattan auf 50.000. In Boston zog eine gemeinsame Veranstaltung von Pride-Teilnehmern und No-Kings-Demonstranten über den Tag hinweg rund 1 Million Menschen an. Selbst in kleineren Städten wie Anchorage (Alaska), Louisville (Kentucky) und Tucson (Arizona) gingen Tausende auf die Straße.

Im Einklang mit den Schätzungen der Organisatoren veranschlagte ein unabhängiger Analyst die Gesamtbeteiligung an den „No Kings“-Protesten auf 4 bis 6 Millionen.

Die Trump-Regierung mag versuchen zu verschleiern, wie viele Menschen tatsächlich zur Parade auf der National Mall kamen – aber was sie nicht verbergen kann, ist die Tatsache, dass Millionen mehr sich entschieden, auf die Straße zu gehen, um ihm die Ablehnung ins Gesicht zu sagen.