Monolith

Das Album: Waters‘ Alleingang markierte den Anfang vom Ende von Pink Floyd.

Careful with that axe, Roger: Ende der Siebziger hatte sich Roger Waters zum Pink-Floyd-Mastermind entwickelt und damit das Ende der zweiten Ära der Band eingeleitet. Waters, seit „Wish You Were Here“ praktisch der alleinige Songschreiber, setzte seine Konzepte mit zunehmender Kompromisslosigkeit durch – gut für die Kunst, schlecht für die Freundschaft.

Nach dem Ende der „In The Flesh“-Tour hatte Waters zwei Songzyklen vollendet, die er seinen Kollegen im Sommer 1978 präsentierte. Insbesondere Gilmour war nicht sehr angetan von der überreflektierten Nabelschau beider Entwürfe, doch die Band hatte Handlungsbedarf – gerade hatte sie bei einem Investmentdesaster mehrere Millionen Pfund verloren. Ein Hit-Album musste her, und zwar schnell.

Die anschließenden Aufnahmen in England, Frank- reich und den USA beschreiben den Zerfall von Pink Floyd. Waters hielt seine Kunst mit beiden Händen fest, Gilmour suchte nach Musikalität inmitten bleischwerer Liedpsychosen, Mason konnte nicht gut genug trommeln, Wright hatte keine Lust mehr (und wurde während der Aufnahmen zum Angestellten degradiert). Produzent Bob Ezrin kam als Mediator ins Spiel und trotzte Waters tatsächlich einige Zugeständnisse ab.

Die Larmoyanz, das Selbstmitleid, die Aufdringlichkeit – das alles ist schwer zu ertragen, aber notwendiger Teil von Waters‘ Genie. Die große Klasse bekommt „The Wall“ zudem nicht nur durch das brachiale Konzept, sondern durch die Außerordentlichkeit der Darbietung. Etwas Undurchschaubares ist in dieser Platte, der man so etwas wie Produktion oder Arrangement gar nicht richtig anhört – „The Wall“ wirkt wie ein Monolith, aus dem Nichts entstanden. Den Anteil seiner Kollegen daran geringzuschätzen, ist Waters‘ größter Irrtum.

Dessen Ideen von Entfremdung und Wahnsinn schienen dazu offenbar etwas Universelles auszudrücken. Anders lässt sich der Erfolg des schwer konsumierbaren Doppelalbums (bis heute wurden mehr als 30 Millionen Exemplare verkauft) nicht erklären, auch wenn die Single „Another Brick In The Wall (Part II)“ sicher hilfreich war. In Südafrika wurde das Lied verboten, Schüler flüsterten es auf dem Schulhof. Es gab sogar eine deutsche Version – das unfreiwillig komische, aber sehr detailgetreue „Stein um Stein“ einer Gruppe namens Vierzehn. Jörn Schlüter

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