Monströser Zitteraal

Erinnert sich noch jemand an „Drei Chinesen mit ’nem Kontrabaß“? Richtig, das ist dieses Lied, das im Kindergarten rauf und runter gesungen wurde. Man wiederholte endlos einen vierzeiligen Reim und modulierte dabei begeistert die Vokale. Mürbe wurde man nie. Vielmehr lallte man sich in eine Art von müdem Glück, umhüllt von einem beruhigenden Geräuschmuster aus Wiederholung und Wechsel.

Wir wissen nicht, was Margaret Fiedler im Kindergarten gesungen hat. Sicher ist jedoch, daß die Songschreiberin von Laika sich eine ursprüngliche Lust an Groove und Klangfarbe bewahrt hat. „44 Robbers“ könnte ein überdrehter nursery rhyme sein. Der Anfang lautet: „I got up at half past four/ Fortyfour robbers around my door/ Forty-four – and maybe more.“ Wer Sound sucht und nicht Sinn, wird schnell des Eskapismus‘ beschuldigt. Darüber kann Fiedler nur lachen. „Ich habe nie das Bedürfnis verspürt, einen Song über irgendein Thema zu schreiben“, sagt sie. „Zuerst sind da Rhythmus und Geräusch. Dann lege ich Worte darüber, die eine klangliche Einheit ergeben. Daran bin ich interessiert, nicht an issues.“ Laika geben dem archaischen Bedürfnis nach, Impulse in Laute zu überführen. Das muß halt nicht in einer Schrei-Therapie enden und auch nicht in einem TrommelWorkshop. Dabei arbeiten die Engländer mit Beats wie niemand anderes, sie sind ein Dancefloor-Unternehmen im weitesten Sinne. Mit „Siher Apples OfThe Moon“ hat das Quartett eines der reifsten Werke des Genres vorgelegt. Vergleiche mit Portishead oder Massive Attack sind erlaubt. Aber nicht wegen einer Nähe zum Song, die jene Formationen einem Rockorientierten Publikum attraktiv machen – vom klassischen Song sind Laika weiter entfernt als mancher HipHop-Act.

Was die Londoner mit den beiden Bands aus Bristol meinen, ist etwas anderes: Sie sublimieren die Mittel der Dance-Musik, speziell die des Dub, um sie in einen neuen Kontext zu stellen. Atmosphäre ist wichtiger als Tanzbarkeit.

Diese Musik ist nicht von gestern auf heute entstanden. Im Schnittfeld zwischen Groove und Geräusch arbeitete Margaret Fiedler schon mit Moonshake. Nach einigen Platten gingen die Vorstellungen von ihr und Kompagnon Dave Callahan jedoch auseinander. Mit Produzent Guy Fixsen fand sie schließlich einen neuen Bruder im Geiste. Bassist John Frenett wechselte ebenfalls die Seiten.

Warum Fiedler einen neuen Band-Namen suchen mußte und nicht Callahan, ist unverständlich. Schließlich klang schon „Big Good Angel“, die letzte gemeinsame Platte, nach Laika – wie ein monströser Zitteraal. Doch die Klügere gibt nach. Und Fiedler hätte keine Lust gehabt, auf Gitarren zu verzichten. Die würde Betonkopf Callahan nämlich am liebsten per Dekret aus der modernen Musik verbannen. „Dabei wäre es dumm, auf sie zu verzichten. Denn Gitarren haben eine enorme physische Kraft.“ Wer die Besessene einmal live gesehen hat, weiß, was sie meint Sie legt sich in die Saiten, fällt und fegt über die Bühne. Man kann sich also doch zu Laika bewegen. Sieht bloß ein bißchen komisch aus.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates