Morrissey

Daß sich zur Ouvertüre über dem vakanten Schlagzeug entladene Stroboskop-Gewitter verheißt Großes, die Spannung in der überfüllten Halle ist mit Händen zu greifen, Verehrung schlägt dem Star wider Willen entgegen, als er endlich die Bühne betritt. „Gott, ist der dick, Mann“, quiekt ein Frauenzimmer spitz, verstummt aber umgehend unter den strafenden Blicken der Umstehenden. Stimmt ja auch nicht. Korpulent vielleicht, oder kompakt. Alles Muskeln. Muß trainiert haben. Schade nur, daß der Quiff weg ist. Der Crewcut steht ihm nicht. Sagen auch die Fans ganz vorne. Welke, im Gedränge arg zerzauste Blumengebinde fliegen auf die Bühne, werden kommentarlos zurückgeworfen. Nur einen Satz schenkt der Guru den Gläubigen: „It’s great to see your smiling faces.“

Morrissey, schon zu seligen Smiths-Zeiten ein Fremder im eigenen Konzert, wirkt deplaziert. Live liegt ihm nicht, er scheut die Konfrontation. Und hat dennoch mehr Präsenz als alle UK-Popsters nach ihm, Liam Gallagher ausgenommen. Die ersten 20 Minuten sind furios, Morrisseys Bewegungen sind energisch, seine Stimme elektrisch, die Songs zum Mitsingen, „The Boy Racer“ ein früher Höhepunkt. Dann macht sich Lähmung breit, unmerklich zuerst, gegen Ende des 70-Minuten-Sets unüberhörbar. Was den Spannungsabbau bewirkt, ist schwer zu sagen. Es muß am monochromatischen Backing liegen, an diesen viel zu lauten, durchpowernden Gitarren, am Dauerdonner von Drums und Baß, am völligen Verzicht auf Dynamik. Morrissey schaltet auf Autopilot, der Rapport ebbt ab, Song für Song. Man wird das Gefühl nicht los: So will er es haben, so und nicht anders. Als Zugabe ein achtloses „Shoplifters Of The World Unite“ mit den famous last words „take over, take over, take over“. Wohlan, soll sein. Nach Hause, „This Charming Man“ hören, Robert Musil lesen.

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