Morrissey – Berlin, Columbiahalle

Und Eigensinn wird belohnt!

Die Auswahl der vor dem Konzert gezeigten Filmschnipsel macht einmal mehr klar: Dieser Mann hat kein Ego-Problem. Natürlich hat Morrissey die New York Dolls und Elvis aus den Archiven gekramt, vor allem aber sehen wir ihn selbst – jung, älter, kräftig, schlank, vergnügt, betrübt – es ist ein bisschen wie ein Familienalbum.

Schließlich erscheint er gar leibhaftig. In ungewohnt lockerer Straßenkluft aus Jeans, grünem Hemd und Cardigan zwar, sonst aber die Etikette wahrend: „I’m your very humble guest“, heißt es – samt Verbeugung. Nun: Die folgende, etwas arg brachiale Riff-Rock-Version von „This Charming Man“ könnte man durchaus als Missbrauch der gewährten Gastfreundschaft deuten.

Man meckert ja meistens zurecht über Morrisseys Band, heute übrigens einheitlich im Stile eines Tuntenchors gekleidet, aber wir sagen jetzt auch mal was Gutes: Dass „How Soon Is Now“ später zum Höhepunkt des Abends wird, liegt vor allem an Jesse Tobias‘ Sensibilität für jenes flirrend-filigrane Spiel, das Johnny Marr perfektionierte.

Natürlich gibt es auch sonst wieder reichlich Smiths-Songs, „Girlfriend In A Coma* etwa. Aber das Besondere an den Konzerten der letzten Jahre ist ja, dass der Mann nicht nur vom Gestern zehrt. Bei „Irish Blood, English Heart“ etwa ist der Jubel am lautesten. „Let Me Kiss You“ nimmt er dann zum Anlass, sich zu der Zeile „and think of someone you physically admire“ demonstrativ das Hemd vom fülliger gewordenen Leib zu reißen. Was wie immer einen etwa fünfminütigen Tumult auslöst, den der Sänger nutzt, um die Oberbekleidung zu wechseln – ein Vorgang, der sich insgesamt fünfmal wiederholt.

Einmal hält Moz das Mikro ins Publikum: Man dürfe ihm nun Fragen stellen. Wann er denn endlich nach Schweden, Australien, Polen käme, wollen die Leute wissen. Besonders einfallsreich ist das nicht. Findet auch Morrissey, und fragt: „Was it worth it?“

Es folgt das überaus grandiose ,“One Day Will Be Farewell“ aus „Years Of Refusal. Und wer noch daran zweifelte, dass Morrissey der beste Entertainer der britischen Popmusik ist, wurde bekehrt von der Art, wie er sich bei dem Satz „and the smiling children teil you that you smell“ die Nase zuhielt. Graziös.

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