Musikbücher

Freaks wie wir

Der umtriebige Mötley-Crüe-Kopf stellt seine schönsten Bilder aus, bietet nebenbei aber auch Lebenshilfe an.

Nikki Sixx **** This Is Gonna Hurt

In den 80er-Jahren wurde Nikki Sixx als Songschreiber und Bassist der Glam-Metal-Band Mötley Crüe weltberühmt, starb fast an einer Überdosis und erlebte auch sonst alles, was Jungs erleben können, die zu viel Geld und zu wenig Angst haben. Das Buch über diese Zeit ist schon geschrieben: „The Dirt“ ist die Rock’n’Roll-Biografie, schmutziger und spannender wird es nicht. Nun hat Sixx es irgendwie geschafft, sich auf dem harten Weg sein Gehirn nicht wegzudröhnen, und nur Musik war ihm immer zu wenig. Also fotografiert er auch, wo immer er ist. „This Is Gonna Hurt – Music, Photography and Life Through the Distorted Lens of Nikki Sixx“ (er fasst sich ungern kurz) stellt seine interessantesten Bilder aus. Glücklicherweise keine Schnappschüsse aus dem Backstagebereich, sondern liebevoll inszenierte Porträts von Freaks, Freunden und Fremden, die uns sagen sollen: Alle Menschen sind schön, wenn man sie genau betrachtet. Auch die russische Obdachlose. Auch der Typ mit verkrüppelten Armen. Auch die Dicke. Und natürlich auch dieser Typ mit all den Tattoos.

„This Is Gonna Hurt“ (auch der Titel des neuen Albums von Sixx AM, der zweiten Band des Nimmermüden) ist ein Fotoband, aber viel mehr noch ist es ein Selbsthilfebuch, Sixx‘ zweites nach seinen „Heroin Diaries“. Die Moral: Kein Schmerz ist zu groß, um nicht an ihm zu wachsen. Man könnte die Klugscheißerei kaum ertragen, würde er all seine Lebensweisheiten nicht mit viel Selbstironie konterkarieren. Es scheint manchmal, als stünde er neben sich und sähe amüsiert dabei zu, wie er das frömmlerische Muttchen auf dem Flughafen anraunzt oder den Room-Service anrufen will, obwohl er zu Hause ist. Nein, Nikki Sixx ist kein besserer Mensch als wir, will er uns damit wohl sagen, aber er gibt sich verdammt viel Mühe. Und das ist mehr, als wir von vielen anderen Rockstars je sagen konnten. (William Morrow, 19,95 Euro)

John Coltrane ***

von Karl Lippegaus

Eine locker entlang der einschlägigen Sekundärliteratur erzählte Biografie, in der der Autor versucht, mit gewagten, aber oft geglückten Metaphern die Musik des großen Jazz-Innovators zu fassen. Der Novize erhält einen gut lesbaren Überblick, wer tiefer in die Materie einsteigen will, an gesellschaftlichen und musikalischen Kontexten interessiert ist, kommt aber um Valerie Wilmers „As Serious As Your Life: John Coltrane and Beyond“ nicht herum. (Edel, 29,95 Euro)

Def Leppard – The Definitive Visual History ***

von Ross Halfin

Unter den Hardrockbands der 80er-Jahre waren Def Leppard die mit den allermeisten Hits, aber dem allerschlimmsten Geschmack: Toupierte Vokuhilas, Union-Jack-Höschen, selbst klassisches Leder sah bei den Briten peinlich aus. Umso lustiger, dass sie jetzt ausgerechnet einer „Visual History“ zustimmten – von Starfotograf Ross Halfin freilich, der jeden halbwegs gut aussehen lassen kann. Nebenbei erzählen die Musiker von all den Triumphen und Tragödien, für die sie auch berühmt sind – eine drollige Zeitreise, die man auch noch mit dem neuen Live-Album „Mirror Ball“ unterlegen kann. (Chronicle, ca. 20 Euro)

Basement Blues ***** von Greil Marcus

Aktualisierte Neuauflage des Klassikers, der die Dylan-Rezeption seit der Erstauflage von 1997 stärker prägte als jeder andere Text. Marcus analysiert die legendären Basement Tapes vor der Folie der „Anthology Of American Folk Music“ und prägt den Begriff des „alten, unheimlichen Amerikas“. Das neue Cover zeigt das bisher unbekannte einzige Dylan-Foto aus seinen Sessions mit The Band. (Rogner & Bernhard, 14,90 Euro)

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