Nach 20 Jahren das Debüt bei einer Indie-Plattenfirma: Graham Parker genießt die Blüte der späten Jahre

Zwanzig Jahre nach den Demos für Charlie Gillets Radioshow „Honky Tonk“, die Graham Parker aus Londoner Musik-Kneipen ins internationale Plattengeschäft trugen, verblüfft der Kontrast noch immer: Wie kann eine solch schneidende, mächtige Stimme diesem schmächtigen Körper innewohnen? Abgesehen von den Haaren, die kürzer und grau geworden sind, könnte der kleine Mann im schmucklosen Outfit geradewegs aus dem Jahre 1977 stammen. Besuche bei Bekannten und Freunden in England enden trotzdem schon mal mit dem Vorwurf, Parker sei „ein Snob“ geworden. Und das nur, so höhnt er, weil „ich inzwischen einen guten von einem schlechten Wein unterscheiden kann“.

Die Briten, wie Graham Parker seine Landsleute einschätzt, seien einfach nicht an einer Entwicklung interessiert und vergeben nichts.

Auch eine künstlerische Renaissance, die Parker nach einer Phase müder Desorientiertheit seit „The Mona Lisa’s Sister“ (1988) die reife Blüte der späten Jahre eintrug, konnte das Parker-Bild der Briten kaum erschüttern. So residiert er schon seit etlichen Jahren mit Frau und Nachwuchs in Woodstock. In den USA sei „der Strick, den sie dir geben, einfach länger“. Auch wenn seine Engagements bei Major-Labels nur von kurzer Dauer waren.

So unterschrieb er jetzt beim Indie „Razor & Tie“. Einzige Bedingung, laut Parker, „Sie mußten Anzeigen schalten, in denen es hieß: ‚His minor label debut!'“ Der Schalk sitzt ihm also im Nacken, das Herz aus Stahl nicht länger nur auf der Zunge. Doch das nicht zuletzt von ihm selbst provozierte Image eines „angry young man“ überlagert nach wie vor die Nuancen eines Songwriters, der weiter die Waffen des Zynikers schmiedet, aber längst auch die Fähigkeit zu Selbstironie und warmem Humor gewonnen hat. „Diese ganze Wut“, sagt Parker, „war immer nur ein künstlerisches Mittel. Sie war notwendig damals, in einer Zeit, als Pink Floyd und Boston die großen Nummern waren.“ Seine „romantische, melancholische“ Seite sei dabei oft übersehen worden. Ein Song wie „Between You And Me“, mutmaßt Parket, könnte auch auf „12 Haunted Episodes“ passen. Andererseits gibt es auf dem aktuellen Album auch Songs, die er „noch nicht mal vor fünf Jahren“ hätte schreiben können.

Ins stille Kämmerlein zieht sich Graham Parker inzwischen nicht mehr allein zum Songschreiben zurück. Einige Short Stories aus seiner Feder wurden bereits publiziert, ein Roman-Manuskript wandert derzeit durch renommierte US-Verlagshäuser. Und wie definiert Graham Parker heute das Wort „Erfolg“? „Ich genoß es genau fünf Minuten, damals als, der nächste Dylan‘ gehandelt zu werden. Dann haßte ich es nur noch, diese Gigs, bei denen immerzu wildfremde Leute mit blöden Fragen kamen. Danach war ich in der glücklichen Lage, einfach Platten machen zu können.“

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