Nach dem Abflauen von Punk und Ska katapultierte das Rockabilly-Revival Bands wie die Stray Cats in die Charts

Mit den Revivals ist es wie mit Erdbeben. Sie künden ihr Kommen mit Zeichen an, die nur Experten verstehen, entfalten ihre seismischen Kräfte, erreichen irgendeinen Höchststand auf der nach oben offenen Richterskala und lassen ein paar Nachbeben folgen, deren Wirkung von Mal zu Mal abnimmt. Bleiben wir bei diesem Bild, läßt sich das große Rockabilly-Beben in den Jahren l980 bis ’82 vielleicht nicht endgültig entmystifizieren, aber doch einigermaßen schlüssig erklären.

Anzeichen für eine rapide wachsende Popularität von Fifitiesgeprägtem Rock’n‘-Roll gab es bereits ab Mitte der 70er Jahre zuhauf. Das Publikum bei den Record Hops in England und bei Rockabilly-Meetings in USA wurde immer zahlreicher, und während die Teddy Boys und Girls sich im Underground ihrer recht abgeschotteten Szene fröhlich vermehrten, wurden auch an der Oberfläche des Pop eindeutige, weil stilechte Akzente gesetzt.

Dave Edmunds, schon seit Anfang der Dekade britischer Generalverweser des Fifties-Rock’n‘-Roll, veröffentlichte 1977 mit „Get It“ (auf dem Led Zep-Label Swan Song!) das definitive State-Of-The-Art-Statement zum Boom, während jenseits des Atlantik ein gewisser Robert Gordon aus Washington D.C. an der Seite des Gitarren-Veteranen Link Wray für Aufsehen sorgte. Gordon hatte davor mit den Tuff Darts Punk Rock gemacht, fühlte sich letztlich aber mehr zu dem klassischen Rock’n’Roll von Eddie Cochran und Gene Vincent hingezogen.

Auch in England lag Punk gegen Ende der Seventies in seinen letzten Zügen, und die Alternativen für junge, energiegeladene, musikverrückte und stilbewußte Menschen mit Lust auf dancing und romancing waren nicht eben berauschend. Synth-Pop, der Keyboards-quälende Minimalismus sorgenvoll dreinschauender Pikkelgesichter war nicht Traum jedes Jugendlichen. Das Ska-Revival der 2-Tone Bands war am Abklingen und die einzige Option: Modpop oder Rockabilly, Mod werden oder Rocker. Wie damals in Brighton, 15 Jahre davor.

Kurz und gut, die Dancehalls platzten bald aus allen Nähten, Drapes und Creepers gehörten in den größeren englischen Städten ebenso zum Straßenbild wie Petticoats und Ponytails. Man schrieb das Jahr 1979, und alles, was der Billy-Szene fehlte, waren Galionsfiguren, Identifikationsmodelle. Eine Band, die das Szene-Ghetto transzendieren könnte, eine Band mit Glamour und Power und Hit-Potenz. Eine Band wie die Stray Cats.

Als Brian Setzer, Lee Rocker und Slim Jim Phantom 1980 den Sprung von New York nach London wagten, konnten sie freilich nicht wissen, was für eine Lawine sie loszutreten halfen. Ihr exaltierter, bunter Pompadour-Look ging nicht konform mit der traditionelleren Kluft der Alt-Teds, doch war die Stray Cats-Mischung aus Musikalität, Energie und Arroganz so explosiv, daß Umfang und Farbe der Quiffs bald nur eine untergeordnete Rolle spielten. Dave Edmunds war Degeistert und produzierte mit „Runaway Boys“ die erste Cats-Single, die geradewegs in die Top Ten schoß wie auch die folgenden 45s des Trios. Rock’n’Roll-Clubs schössen wie Pilze aus dem Boden, die Insignien der Rockabilly-Kultur hatten längst die Cat-Walks erreicht, Dutzende neuer Bands hauten Billy-Platten heraus. Die Polecats landeten einen Hit mit einer Pop’n’Roll-Version von David Bowies, John, I’m Only Dancing“. Shakin‘ Stevens, der seine Sunsets viele Jahre in enge Vans und billigste Hotels zwängen mußte, avancierte im fortgeschrittenen Alter noch zum Popstar, mit einer Kette von Hits, bis das letzte Nachbeben verklungen war.

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