Nach manchen enttäuschenden Platten überzeugt Robert Cray mit traditionellem Soul

Wenn ein Künstler lange vor der Veröffentlichung eines neuen Albums auf internationale Interview-Reise geschickt wird, der schon ganz lange nicht mehr auf internationale Interview-Tour geschickt wurde, kann man getrost vermuten: Der Künstler hat eine neue Plattenfirma. Robert Cray ist nicht die Ausnahme von der RegeL Nach sieben Major-Alben entschied er sich bewußt gegen lukrativere Major-Offerten und für eine kleinere Firma, die sich „mehr um Acts wie mich kümmern kann“. Zuletzt galt der Wahl-Westcoastler aus Columbus, Georgia, der ab Soldatensohn einige Jugendjahre auch auf den deutschen US-Stützpunkten zugebracht hatte, vor über zehn Jahren als Hofihungsträger, der den Blues ebenso elegant wie effizient renovierte. Sein Industrie-Debüt „Strong Persuader“ wurde 1986 auch kommerziellen Erwartungen gerecht, doch seit Anfang der 90er Jahre investierte Mercury, so Cray, „einfach nicht mehr das Geld und die Energie. Was frustrierend ist, wenn du auf Tour bist und die Leute nicht einmal wissen, daß es eine neue Platte gibt.“

Man glaubt, einigen Cray-Alben anzuhören, daß sie in ein Marketing-Vakuum hinein produziert wurden. Cray widerspricht entschieden. „Nein, wir haben uns trotz dieser Situation nicht einfach hängen lassen. Wir hatten trotzdem unseren Spaß im Studio. Mercury redete uns ja auch nicht rein. Klar, sie schickten uns Songs, die sie gern gehört hätten. Aber wenn wir keine Lust drauf hatten, mußten wir sie auch nicht spielen.“ Der Neuanfang mit dem superben“ „Take Your Shoes Off“ trägt aber auch den Namen Steve Jordan. Cray war diesem produzierenden Drummer erstmals bei dem Chuck-Berry-Tribute „Hau Hau Rock’n’Roll“ begegnet und dachte zunächst mal an eine Co-Produktion. Cray: „Aber ab Steve dann seine Ideen erläuterte, sagte ich einfach: Mach Du es!“ Kein Ego-Problem für Cray, der zuletzt selbst produzierte? „Nein. Wir haben natürlich Dinge diskutiert. Aber Steve hat dieses Album ins Leben gebracht, vor allem, was den Memphis-Soul-Sound anbetrifft und die rhythmische Basis.“

Crays thematische Basis war lange die Rolle des Herzensbrechers, der schönen, leider meist verheirateten Nachbarinnen nachstellte; sein Ex-Produzent Dennis Walker hatte sie ihm mit fast voyeuristischen Songs („Right Next Door“) auf den Leib geschrieben. Merke: Nicht jeder, der den Blues (im Wortsinn) spielt, muß ihn auch genauso haben. Cray: „Das sind coole Songs. Aber ich hätte so was nie getextet Andererseits: Ich mußte meine Phantasie auch nicht überstrapazieren, um sie singen zu können.“ Cray freut sich.

In Nashville, wo hübsche Ironie „Take Your Shoes Off“ auf Wunsch von Techniker Niko Bolas unbedingt eingespielt werden mußte, amüsierte sich Robert Cray köstlich angesichts der zahllosen Country-Gold-Alben, die dort im traditionsreichen Woodland-Studio hängen. Könnte er sich vorstellen, in der Tradition etwa eines Bobby Blue Bland selbst mal das Genre zu wechseln? Das wäre doch der nächste Schritt nach seinem gelungenen Rückgriff auf die Tradition. Doch Cray will nicht nach den Sternen greifen. „Nein, das ist einfach zu weit weg von mir, jedenfalls für ein ganzes Album. Vielleicht mal ein Cover. Ich meine, AI Green hat auch schon Hank Williams gesungen, weil er „I’m So Lonesome I Could Cry‘ liebte.“ Aber Bob goes Country? Cray lacht auf. „Nein, lieber nicht. Ray Charles kann so was machen. Aber er ist eben auch Ray Charles.“

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