Nach Maxis und einem Soundtrack gelang dem Berliner Trio Terranova ein Album mit Tricky und erstaunlichen Sounds

Wat denn nu – Film-Premiere oder Platten-Präsentation? Vor dem Berliner Club WMF herrscht Ratlosigkeit Nur langsam bewegt sich eine Menschenschlange vorwärts, und dazu macht ein Gerücht die Runde: Angeblich feiert der Regisseur Rainer Kaufmann hier und heute die Premiere seines Films „The Long Hello And Short Goodbye“ – Zutritt nur mit Einladung. Viele Wartende sind verunsichert. Sie sind schließlich wegen eines der seltenen Auftritte des Berliner Electro- und HipHop-Trios Terranova gekommen. Und wenn die jetzt nur für die geladenen Gäste spielen…?

Drinnen im WMF sieht man tatsächlich allerlei Film-Prominenz: Jasmin Tabatabai ist da, auch Kaufmann taucht im Gedränge auf- aber ganz privat und nur zum Spaß. Auch der Rest des Publikums ist gutgelaunt, denn Terranova stehen heute sogar in einer Bigband-Version auf der Bühne: ein Keyboarder, ein Cellist, ein Percussionist, ein Gitarre spielender Cowboy und zwei DJs, die hektisch an ihren Plattenspielern hantieren. Jetzt kommt auch noch eine Sängerin, ein Mädchen mit kurzen strubbligen Haaren und einem riesigen Bluterguss unter dem rechten Auge. Das ist Nicolette „Coco“ Krebitz, die Schauspielerin. Zu dem wüsten Gitarrenlärm des Cowboys – es ist Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubautensingt sie mit elektronisch stark verfremdeter Stimme, macht charmante Ausfallschritte oder hüpft ganz reizend.

Der Auftritt der Krebitz ist nur einer von mehreren Höhepunkten, als Terranova ihr Debütalbum „Close The Door“ zum ersten Mal live spielen. Das Konzept ähnelt dem von Massive Attack: Die Band arbeitet nicht mit einem festen Vokalisten, sondern sucht für jedes Stück passende Interpreten. Beim souligen „Turn Around“ ist das Cath Coffey, die Sängerin der Stereo MCs. Bei ihrem Auftritt hängen die Brit-Rapper persönlich hinter der Bühne herum, da sie später noch eins ihrer raren DJ-Sets spielen werden. Außerdem wird heftig getuschelt über ein neues Stereo MCs-Album nach fünfjähriger Pause.

Auch der extrem talentierte US-Rapper Rasco ist auf „Close The Door“zu hören. Ebenso Tricky, der mit seinem heiseren Röcheln „Bombing Bastards“ zum absoluten Highlight des Albums macht. Leider können weder er noch Rasco zur Party kommen.

Trotzdem eine Traumbesetzung, erst recht für ein Debütalbum. Aber 1erranova sind ja auch keine Frischlinge mehr. Bei Firmen wie Compost und All Good Vinyl erschienen von ihnen seit 1995 diverse Maxis zwischen HipHop und Drum-’n’Bass. Außerdem haben Fetisch und Meister noch den Soundtrack zu „The Long Hello And Short Goodbye“ aufgenommen. Und Kaos, der Dritte im Bunde, ist ein gefragter DJ.

„Unseren frühen Tracks konnte man allerdings noch anhören, dass sie innerhalb von 5 Tagen entstanden sind“, erinnert sich Fetisch an die Zeiten, als die Band noch Turntable Terranova hieß. „Das Album hat dagegen mehr als ein Jahr gebraucht“ Die Sorgfalt der Musiker hört man in jedem einzelnen Stück. Auch die Herkunft: Meister, der ausgebildete Pianist; Kaos, der streetsmarte HipHop-DJ; und Fetisch, der Studio-Fuchs, der bereits mit den Stereo MCs und dem X-Clan zusammengearbeitet hat. „Coco“ Krebitz, die Freundin von Fetisch, ist so etwas wie ein inoffizielles viertes Mitglied. Wer sie im eher drögen Katja-von-Garnier-Film „Bandits“ gesehen hat, sollte nicht vorschnell urteilen: Die drei Stücke mit ihrem Gesang sind absolut berückend.

Dabei legen Terranova wenig Wert darauf, bestimmten Zielgruppen zu gefallen: „Die HipHop-Kiddies ziehen auch mal ein Gesicht“, erklärt Kaos, „weil wir zwar vom HipHop kommen, uns aber davon öfter lösen, um andere Sachen auszuprobieren.“ Fetisch ergänzt: „In Deutschland wird ein Thema so lange ausgelutscht, bis nichts mehr geht.“ Daher produzieren sie für den internationalen Markt. „Jamaica, Bronx und Bristol“ sind auch Plätze, die den „Sound of Terranova“ geprägt haben. Nebenbei enthält „Close TheDoor“ ‚aber auch genügend Einflüsse aus der romantischen deutschen Liederschule von Schumann bis Kraftwerk – damit die Platte auch in London nicht als Kopie, sondern Original erkannt wird.

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