Nachruf auf Carrie Fisher: Viel mehr als nur eine Prinzessin

Sie war Prinzessin Leia, sie war eine Zeit lang der berühmteste Junkie von Hollywood – und sie meisterte alle Abgründe. Am Ende war sie ein Vorbild. Zum Tod von Carrie Fisher.

Unser Nachruf vom 27.12.2016:

Ob sie Angst vor dem Tod habe, wurde sie von den amerikanischen Kollegen des ROLLING STONE beim jüngsten Interview gefragt, im November dieses Jahres. „Nein“, sagte Carrie Fisher. „Aber ich habe Angst vor den Schmerzen.“ Und sie habe eine Hoffnung, wenn es so weit ist: Sie wolle nicht allein beim Sterben sein.

Nur sie hatte diesen Galgenhumor

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Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt, allein war sie nicht: Über fünf Tage, seit ihrem schweren Herzinfarkt am Freitag, bangten weltweit Fans um die 60-Jährige, sendeten Gebete und Genesungswünsche; ihre Familie wachte am Krankenbett.

Was Fisher damals im November-Interview auch hinzufügte: „Ich würde bei meinem eigenen Tod natürlich ebenfalls anwesend sein!“ Da war er wieder, der Galgenhumor, die gespielte Exzentrik, die wohl nur jemand entwickeln konnte, der in Hollywood wirklich alles mitgemacht hatte und nun über den Dingen stand.

Fisher 1977
Fisher 1977

Sie brauchte den Humor: Die Rolle ihres Lebens war die der Leia, sie verkörperte die Prinzessin in vier „Star Wars“-Filmen zwischen 1977 und 2015. Sie beschwerte sich nie darüber, dass sie in keinem anderen Film, mit keiner anderen Figur reüssieren konnte. Denn Carrie Fisher hatte sich in Hollywood einer anderen Mission verschrieben: Sie führte vor, wie man den Irrsinn der Traumfabrik überwindet, die Drogensucht, psychische Probleme, den Umgang mit dem Umstand, für  so etwas wie Schauspielerei in den Himmel gehoben zu werden. Sie war über Jahre alkoholabhängig, aber sie lamentierte nie.

Prinzessin Leia am Tresen

Carrie Frances Fisher, Tochter des Sängers Eddie Fisher und der Schauspielerin Debbie Reynolds, wurde durch den „Krieg der Sterne“ zum Star, zuvor hatte sie lediglich eine Nebenrolle in Hal Ashbys „Shampoo“ und kleine Fernseh-Auftritte. Den Ruhm und die Abstürze verarbeitete sie, nachdem ihre Arbeit vor der Kamera fürs Erste beendet war. Etwa im semi-autobiografischen Roman „Postcards From The Edge“, einer Art Fibel für aufstrebende Schauspielerinnen, erschienen 1987.

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Das bekanntermaßen ohne fremde Hilfe – keine Selbstverständlichkeit unter Schauspielern – verfasste Werk etablierte Fisher auf einen Schlag als ernst zu nehmende, pointierte Schriftstellerin. Mit „Wishful Drinking“ trat sie 2006 in einer One-Woman-Show am New Yorker Broadway auf, das Plakat zeigte sie als Prinzessin Leia in Trinkersitzhaltung, Kopf auf dem Tresen, die Leia-Schneckenfrisur saß perfekt. Für das Audiobook zur Show erhielt Fisher einen Grammy.

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Das Schreiben war ihre eigentliche Passion. Ab den Neunzigern arbeitete Fisher hinter den Kulissen, als so genannter Script Doctor, indem sie Drehbücher mit noch griffigeren Dialogen ausstattete. Für Spielbergs Peter-Pan-Verfilmung „Hook“ müsste ihr dieser Dank gebühren, immerhin taucht sie in den Credits auf, für „Sister Act“ auch, sogar für die ungeliebte zweite „Star Wars“-Trilogie (1999-2005) war sie als Autorin aktiv. Fisher kannte halt den Stoff.

Bipolare Störungen

Auf ihrer eigenen Website bezeichnete sich Fisher nicht nur als Schauspielerin und Autorin, sondern wies sich auch als „mental health advocate“ aus. Sie litt an der psychischen Erkrankung einer bipolaren Störung, zeigte bis in die Nullerjahre manisch depressive Episoden. Auch daraus machte sie nie einen Hehl. In Interviews zückte Fisher ihre Pillendose, erklärte, wie Lithium funktioniert. Sie sei dankbar: Ihre Familie hätte sich darauf verlassen können, dass sie nicht mehr austicke. Für ihre Aufklärungsarbeit zur bipolaren Störung erhielt Carrie Fisher Auszeichnungen aus der Medizinwelt, zuletzt den „Humanist Hub“ aus Harvard. Sie wies auf Defizite im amerikanischen Gesundheitssystem hin, in dem es manchmal unklar ist, ob jemand ein körperliches Leiden hat oder ein seelisches, oder beides, und eine Behandlungsverordnung deshalb zum Problem wird.

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Die Drogen hatten sie, wie sie dem ROLLING STONE sagte, zu Boden geworfen, aber einige davon seien auch wichtig gewesen. LSD etwa hätte bei ihr ausschließlich einen positiven, aufputschenden Effekt erzielt. “Wenn Selbstmord für mich nicht infrage kam, dann eher weil ich Drogen genommen hatte”, sagt sie. Sie habe als junge Frau unter starken Stimmungsschwankungen gelitten, und die Drogen waren ihr eine Hilfe zur Lebensbewältigung gewesen.

1977: Mit "Star Wars"-Kollegen Mark Hamill und Harrison Ford
1977: Mit „Star Wars“-Kollegen Mark Hamill und Harrison Ford

Ob sie manchmal versucht wäre, wieder LSD zu nehmen? “Absolut”, so Fisher. “Aber in meinem jetzigen Alter wäre der Trip wohl etwas zu intensiv. Als ich es damals nahm, wirkte es gar nicht so.” Ein Jahr lang (1983-1984) hielt ihre Ehe mit Paul Simon, mit dem sie einige Selbsterfahrungs-Trips in die kalifornische Wüste unternommen hatte.

Star-Wars-Comeback? Cool bleiben!

Als bekannt wurde, dass Carrie Fisher 2015 die Rolle ihrer Leia für „Das Erwachen der Macht“ wieder aufgreifen würde, 32 Jahre nach ihrem letzten „Krieg der Sterne“-Auftritt, war die Anspannung groß – unter Fans, nicht bei ihr. Ihr Kollege Mark „Luke Skywalker“ Hamill ließ sich in Faxen-Posen fotografieren, Harrison Ford, 73, augenblicklich zusichern, dass er auch als Indiana Jones nochmal auftreten dürfe. Nur Fisher blieb cool, nahm, was kam. Tourte mit ihrer geliebten Bulldogge Gary von Promotermin zu Promotermin, sie mutete sich sogar die Basisarbeit zu, den Gang auf Comic Conventions, lümmelte sich auf die Bühnencouches und zog dabei, wie immer, die Schuhe aus. Ganz ehrlich, wie könnte sie Prinzessin Leia denn nicht meistern?

Mit Chewie in "Das Erwachen der Macht", 2015
Mit Chewie in „Das Erwachen der Macht“, 2015

Wer sich heute von allen veredelten Gedanken zum „Krieg der Sterne“ versucht frei zu machen, und sich, so frei wie es geht, die Gruppen-Fotos des „Star Wars“-Ensembles von 1977 mit neuen Augen ansieht, der könnte die zierliche, 1,55 Meter große Fisher fast übersehen. Da gibt es den Metropolis-Roboter C-3PO, Harrison Ford, Alec Guiness, schließlich die riesigen Darth Vader und Chewbacca.

So eine Prinzessin gab es noch nie

Dabei prägte Fisher mit ihrer Leia einen völlig neuen Heldinnen-Typ. Schlagfertig, kampfbereit. Prinzessin als Adels- und Lebenstitel klingt da viel zu antiquiert. Man muss es sich noch einmal klar machen: Die Truppe um Luke Skywalker schleicht sich in den gefährlichsten Ort des Universums ein, den imperialen Todesstern, um die Prinzessin zu befreien. Und kaum werden ihre Fesseln gelöst, sie aus dem Kerker befreit, kommandiert sie die Männer rum, entreißt ihnen die Waffen und übernimmt die weitere Planung.

Fisher wusste um die Wirkung ihrer Figur, die Popkultur hat jeden ihrer Sätze, jede ihrer Bewegungen seziert und gedeutet. Ja, vor dem Dreh der Szenen in der Wolkenstadt Bespin („Das Imperium schlägt zurück“, 1980) hatte sie gemeinsam mit Ford und den Rolling Stones bis in den Morgen gefeiert, deshalb grinsen sie und Han Solo auch auf der Leinwand, wenn es eigentlich ernst zugehen sollte. Und ja, in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) trug sie den Nagel ihres kleinen Fingers auffällig lang; das war vielleicht ein so genannter „Coke Nail“, mit dem sich Kokain-Linien besser ziehen ließen. Heute noch gibt es seitenlange Artikel im Netz, die sich um ihren „Sklaven-BH“ drehen, den sie als „Gefangene Jabbas“ tragen musste. Solche Sachen halt. Fisher wusste das einzuordnen, lachte aber Fans, die sich danach erkundigten, nie aus.

Was wird aus Leia?

Jetzt, da die Filmwelt trauert, werden „Star Wars“-Anhänger sich fragen, und es ist ja auch okay das jetzt schon zu fragen, was aus ihrer Leia in den nächsten Jahren wird. Die achte „Krieg der Sterne“-Episode hatte Fisher unlängst abgedreht. Der zu Weihnachten 2017 anlaufende Film wird nun mit anderen Augen betrachtet werden, alles wird sich um sie drehen. Es wird Fishers Abschied sein. Nicht ausgeschlossen, dass sie, wie einst der kurz nach Dreharbeiten verstorbene Heath Ledger in „The Dark Knight“ (2008), erstmals mit einer Oscar-Nominierung bedacht werden wird. Was nun aus dem finalen Teil wird, Episode neun, ohne Leia, steht völlig in den Sternen.

Dabei ist Carrie Fisher längst unsterblich geworden. Im aktuellen „Star Wars“-Film „Rogue One“ feierte sie, digital bearbeitet, eine Wiederauferstehung als 19-jährige Leia. Eine derartige Widmung hatte noch keine Schauspielerin erfahren.

Außerdem besitzt Leia doch „die Macht“, oder? Jene Zauberkraft, die ihren Trägern nach dem Tod ein Leben als spirituelle Kraft weitersichert. Ein Geist, der gelegentlich zu uns spricht. Wir sollten daran glauben.

Carrie Fisher bei der Premiere von "Das Erwachen der Macht"
Carrie Fisher bei der Premiere von „Das Erwachen der Macht“
Ron Galella WireImage
Steve Larson Denver Post via Getty Images
Lucasfilm LTD/Disney
Anthony Harvey Getty Images
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