Nächte im Club

In Berlin suchte der New Yorker Jake Shears Inspiration für das neue Album der Scissor Sisters – und fand vor allem viele Disco-Sounds

Welcome to the pleasure dome: Die Scissor Sisters haben unter der Führung von Jake Shears mit zwei Alben einen neuen Pop-Hedonismus durchgesetzt, haben mit 70s-Disco, 80s-Pop und Rave-Revival die Schönheit der Nacht beschworen und uns gesagt: Das Leben muss man leicht nehmen, sonst ist es nicht gut. Es braucht einen Kraftakt, um sich aus dem Staub der Welt emporzuheben, aber dann sieht man das Licht – semi-spirituelle Schwärmerei, ein alter Hut.

Aber wir wollten Shears und seinen Scherenschwestern gern glauben, weil die Musik so unwiderstehlich war. „Wir sind superstarke, unaufhaltsame Robocats – wenn du uns brauchst, ruf uns an“, sagt Scissor Sister Ana, es klingt wie eine Parole und soll wohl auch eine sein. Ein paar Jahre ist es her, seit die New Yorker ihr zweites Album veröffentlichten, eine Platte mit einigen Zwischentönen. Seitdem ist Jake Shears auf Tauchstation gegangen und hat ein paar Monate in Berlin verbracht, um neue Inspiration zu finden. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin: Alle wollen in der deutschen Stadt etwas finden, den Weltstadtgeist, Weimar, die 80er-Jahre, Aufbruch, Schmelztiegel. Das Ideal bringen die Durchreisenden meist selbst mit und machen ihre Vorstellung von der Stadt zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Auch Shears fand das Glück in den Berliner Clubs, tanzte bis zum Morgengrauen und hatte eine Idee. Er wollte eine Platte machen wie eine Nacht im Club. Mmmhh, denken wir uns: Das klingt nicht sehr überraschend. „Wir sind hier, um eine gute Zeit zu haben und etwas Schönes zu kreieren, deshalb gibt es so etwas wie Bewusstsein“, postuliert Ana das Credo. „Als Jake aus Berlin wiederkam, wollte er Musik machen, die so viel Spaß macht wie nur menschenmöglich.“

Den Studio-54-Disco-Gottesdienst beiseite: Natürlich ist „Night Work“ eine gute, lebendige, in ihrer Naivität befreiende Platte. Weil Shears nichts von seiner künstlerischen Kraft und Melodiefindigkeit verloren hat. Weil mit Madonna-Intimus Stuart Price (für dessen Band Zoot Woman die Scissor Sisters einst im Vorprogramm spielten) ein Produzent am Start ist, der den Apparaten Magisches entlockt. Und weil die Scissor Sisters nach wie vor am Ruder sind, mindestens für den Moment. 80s-Pop wechselt sich ab mit den bekannten Verweisen auf die Bee Gees und Giorgio Moroder, aber auch Glam-Riffs und (einmal) der monochrome Rock von The Cult sind im Repertoire.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates