Neil Young: Auf dem Hippie-Highway

Neil Youngs Dokumentarfilm "CSNY: Déjà Vu" zeigt das Quartett in Wallung

Es hat etwas Honoriges und doch Vergebliches, wenn Regisseur Bernard Shakey aka Neil Young über sich und „CSNY: Déjà Vu“ spricht, einen Dokumentarfilm, den er beim Sundance-Festival und bei der Berlinale vorstellte. Nein, er glaube nicht, dass Songs heute noch die Welt verändern können. Damals schon, in den späten Sechzigern, weil sie Teil einer Bewegung und Mittel der Aufklärung waren. Doch könnten sie immer noch helfen, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen und Standpunkte zu vermitteln. Und das sei immens wichtig in Zeiten des Krieges. „Ich hielt es für meine verdammte Pflicht, der Regierungspropaganda entgegenzutreten und meinen Dissenz an die große Glocke zu hängen.“

Zunächst per Homepage. Young nutzte Versatzstücke der Kriegsberichterstattung von Fox und CNN, um deren grünen Nachtsicht-Explosionen und roten Opferzahlen eine menschliche Dimension zu verleihen. Er zeigte die Gesichter der Gefallenen, das Verladen von Särgen, offene Gräber, das Leid der Hinterbliebenen. „Irak. Vietnam, Korea“, erkannte Young, „alles derselbe Krieg“. Und beschloss Anfang 2006. den Irrsinn auf riesigen Screens dorthin zu tragen, wo neilyoungdotcom nicht angedickt wird. „Freedom Of Speech“ nannte Neil die Tour, an seiner Seite die alten Weggefährten David Crosby, Stephen Stills und Graham Nash. „Sie sagten sofort zu“, so Young, „obwohl ich darauf bestand, nur die Songs und die Bilder sprechen zu lassen, keine Ansagen auf der Bühne zu machen, kein Bush-Bashing“.

Die Botschaft kam dennoch an, dafür sorgten Songs wie „Ohio“, „Shock And Awe“ oder „Living With War“, spätestens aber das gen Ende der Konzerte angestimmte „Let’s Impeach The President“. Das im Norden mit Jubel und vereinzelten Buhrufen quittiert wurde, in den Südstaaten aber für manch tumultarischen Exodus sorgte. „Nur ein Drittel der Leute“ habe in Atlanta den Saal unter lautstarkem Protest verlassen, veranschlagt Young nicht unzufrieden. Und lässt die Bush-Befürworter ausführlich zu Wort zu kommen. Wobei weniger irritiert, was hasserfüllte Hardliner und wiedergeborene Patrioten umtreibt, als der Umstand, dass sie überhaupt gekommen waren. Immerhin haben CSN & Y aus ihren politischen Überzeugungen nie ein Geheimnis gemacht. Ein stiernackiges Muskelpaket mit hochrotem Kopf möchte dem singenden Kommunistenpack jedenfalls dringend das Maul stopfen, eine junge Frau fand den Auftritt „a little political“, was sich bei ihr anhört wie „igitt“.

Neil Young schneidet einen Gospelchor zwischen die extremen Publikumsreaktionen, Live-Footage und machtvolle Demonstrationen aus besseren Tagen, während der Tourbus durch das gar nicht mythische Amerika rollt, auf dem „hippie highway“. So viel Selbstironie müsse sein. Was indes unangenehm berührt, mit den glühenden Friedensappellen nicht so recht in Einklang zu bringen ist und den gesamten Film hindurch penetrant zur Schau gestellt wird, ist eine merkwürdige Kamaraderie der Musiker mit Kriegsveteranen. Flaggen, Uniformen, militärische Ehrenbezeugungen, Kanonendonner: die Insignien der Vernichtung bilden den Hintergrund für Verbrüderungsszenen. Stephen Stills, der die Kandidatur einiger Vets für politische Ämter unterstützt, versteigt sich bei einem Wahlaufruf gar zu der These, man könne in Fragen von Krieg und Frieden niemandem mehr vertrauen als denen, die an der Front waren, „wenn man noch nie beschossen wurde und nie töten musste“, ergänzt ein Ex-Soldat, „kann man gar nicht mitreden.“ Erst eine Karriere im Kriegsgeschäft befähigt also zu Amt und Würden, tätige Reue vorausgesetzt. Es verdiene Respekt, aus seinen Fehlern zu lernen, erklärt Neil Young. Mehr als die Fehler zu vermeiden?

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