Neil Young – Der Widerspenstigen Lähmung

Es ist schon Saukomisch, oder? Da bringen die Brüder Warner mit Plakaten und Anzeigen Youngs neues Werk "Mirror Ball" unters Volk und lassen das schlagendste Argument, mit dem man weltweit die Youngsters zu Youngsters bekehren könnte, unter den Tisch fallen: daß die CD eine Cooperation mit Pearl Jam ist. Nicht mal auf dem Cover klebt ein Hinweis.

Gar nicht komisch. Pearl Jams Firma ist nun mal eine andere, Sony Music nämlich, und dort hätte man das Gemeinschaftswerk auch liebend gerne veröffentlicht Als Warner den Zuschlag erhielt, stampfte man mit dem Fuß: Mit dem Namen Pearl Jam winde sich Warner jedenfalls nicht schmücken! Worauf die Juristen die Ärmel hochkrempelten. Neil Young kopfschüttelnd: „Ein bißchen peinlich ist mir das schon, daß der Name Pearl Jam nirgendwo auftaucht, aber Sony hat geradezu Rad geschlagen. Die riefen sogar an, als sie herausfanden, daß wir ‚Pearl‘-Drums benutzen, und insistierten darauf, daß im Video dieses Wort nicht lesbar sein dürfe.“

Saukomisch. Und irgendwie auch ironisch, daß gerade diese Musiker zwischen die Mühlsteine des Business geraten, Young war noch nie ein Karriere-Taktiker, und Pearl Jam sind in den USA fleißig damit beschäftigt, die Mechanismen des Konzertbetriebes auszuhebeln. Sonys Muskelspiel kommt nun einer zusätzlichen Demütigung gleich, da die letzten Wochen zeigten, daß Pearl Jam dem Betrieb wohl ans Bein pinkeln – ihn aber nicht besiegen konnten.

Es begann im März *94, ab die Band eine Tour mit niedrigen Ticketpreisen ankündigte – Liebesbezeugung an die Fans, Kriegserklärung an den Kartengiganten Ticketmaster, der den US-Markt dominiert (und sich entsprechende Preise und Provisionen erlaubt). Die Tour fand nie statt Die großen US-Veranstalter sind an Ticketmaster gebunden, und an dieser Bastion kamen auch Pearl Jam nicht vorbei. (Die Monopolvorwürfe gegen Ticketmaster werden von der US-Kartellbehörde noch untersucht). Eddie Vedder – der Robin Hood von Pearlwood Forest Vota „Corporate Rock“ angewidert, stieg Vedder bei der „alternativen“ Club-Tour von Underground-Papst Mike Watt ein – nur um nach acht Gigs das Handtuch zu werfen: Die erhoffte Anonymität erwies sich als Wunschdenken.

Gleichzeitg kündigten Pearl Jam 13 US-Konzerte mit dem neuen Karten-Dienst ETM an. Wegen technischer Probleme beim Vorverkauf fiel das erste Konzert aus; beim vierten Konzert nahe San Diego legte die Polizei aus Sicherheitsgründen eine Absage nahe; dann platzte die Show in Salt Lake City wegen eines Gewitters. Pearl Jams Manager Kelly Curtis streckte die Fühler gen Ticketmaster aus, um mit fix organisierten Zusatzkonzerten die Fans versöhnen zu können, aber damit war’s Essig, als Vedder in einem Radio-Interview posaunte, eher werde die Band nur noch im Studio Musik machen. Am 23. Juni ging Vedder in San Francisco nach sieben Songs wegen einer Grippe von der Bühne (Neil Young sprang ein); tags darauf cancelten Pearl Jam den Rest der Tour (um kurz darauf drei Juli-Termine doch wieder zu bestätigen).

Blickt man ins Internet und auf amerikanische Leserbriefseiten, so scheinen inzwischen eine Menge Fans stinksauer auf ihre Helden zu sein. Für viele ist Robin Hood nur noch ein Sturkopf.

Die deutsche Young-Gemeinde fiebert derweil: Neu kommt am 14. August auf die Berliner Waldbühne, begleitet von Pearl Jam – auch wenn das von allen Beteiligten wieder mal schamhaft verschwiegen wird. Vedder allerdings bleibt zu Hause. Oder auch nicht Vor der Tour konnte Young selbst nur mutmaßen, Eddie werde sich „hin und wieder“ die Ehre geben. Aber vielleicht hat man Young ja auch nur einen Maulkorb verpaßt.

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