Neues aus der alten Welt

Mike Scott alias The Waterboys kramte in den Archiven und kredenzt uns nun „"neue", furiose Aufnahmen aus der Zeit des „"Fisherman's Blues"

Mit 43Jahren ist man als Rockstar ein alter Sack. Zeit zurückzuschauen. Kurz nach den Sessions zu seinem zweiten Solo-Album „StillBurning“ hatte Scott damit begonnen, die Aufnahmen, die „Fisherman ’s Blues“, seinem wohl besten Werk, zeitlich vorausgegangen waren, erneut zu sichten. Nach Fertigstellung des vermeintlichen Waterboys-„Comebacks“ ^i Rock In A Mary Land“ (die Band besteht heute ja praktisch nur noch aus Scott selbst) machte er sich endgültig daran, die alten Rohdiamanten zu schleifen. Und siehe da: Das Resultat, „Tbo Close Tb Heaven“, klingt frischer ab alles, was er in den vergangenen 14 Jahren auf die Beine gestellt hat.

„Bei einigen Songs hab ich nur wenig geändert; nur gelegentlich mussten Gitarren, Stimmen, Orgel und Piano drübergelegt werden. Wobei ich immer versucht habe, dem Geist der Aufnahmen gerecht zu werden.“ Was leichter gesagt als getan war, da die Songs das Ergebnis mehrmonatiger Sessions mit der ganzen Band waren. Spielfreude, Improvisierlaune und die sich über Wochen entwickelnde Chemie zwischen den damaligen Musikern prägten den Sound. Und nun, Anfang des Jahres, sitzt Scott also alleine im Studio, um die fast schon vergessenen Aufnahmen zu entstauben. Aber: „Die Musik hat mir gesagt, was zu tun war.“

Was sie 1987 nicht getan hat? „Offensichtlich nicht. Irgendwann saß ich in meinem Zimmer in Dublin zwischen einem Haufen Tapes und wusste, dass ich diese vollkommen neue Welt, die wir da erschaffen hatten, niemals in einem Album fassen könnte.“ Scott ging mit der Band erneut ins Studio und startete noch einmal von vorne. Aus den Aufnahmen entstand das Album „Fisherman ’s Blues“, an dem auch Dylan-Produzent Bob Johnston beteiligt war.

Die Wahl des Produzenten ist nicht die einzige Parallele zu Dylan. Als sich Bob und The Band 1967 in den Keller des berühmten, pinkfarbenen Hauses in Woodstock zurückzogen, kamen sie mit einer ähnlich imposanten Menge an Material (das heute als 5-CD-Bootleg unter dem Namen „The Genuine Basement Tapes“

kursiert) wieder heraus. Wie Greil Marcus in seinem Buch „Invisible Republic“ gewohnt bilderreich beschreibt, beschriften die fünf Musiker (Levon Helm fehlte) dabei völliges Neuland, eine Art imaginäres Amerika. Doch die grenzenlose Produktivität erwies sich als zweischneidig: Dylan brach das ausufernde Projekt plötzlich ab, um innerhalb einer Woche John HisleyHarding“einxuspielen. Einige der Basement-Aufnahmen wurden dann 1975 relativ lieblos auf den Markt geworfen, um bereits kursierenden Bootlegs den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der ursprünglichen Welt der Waterboys, die wir auf „Too Close To Heaven“ nun doch noch auszugsweise zu hören bekommen – und die im Gegensatz zur Basement-Tapes-Veröffentlichung keine Wünsche offen lässt leben allerlei wohl vertraute Gestalten: Woody Guthrie und Bob Dylan haben dort ein Ferienhaus, Hank Williams schaut vorbei, diverse Iren und Schotten wie De Dannan, die Bothy Band und Planxty sind hier zu Hause – und Van Morrison ist Bürgermeister und Pfarrer in einem. Ja, Van Morrison war definitiv ein Einfluss bei diesen Aufnahmen. Besonders Astral Weeks‘. Steve Wickham, der hier die Fiddle spielte, ist ein großer Bewunderer von Toni Marcus‘ Arbeit auf,/nto TheMusic‘.“ So erinnert das grandiose, zwölfminütige „Too Close To Heaven“ denn auch tatsächlich an „The Healing Has Begun“ von Van the Man; selbst Scotts Phrasierungen sind dem Caledonian Soul des Meisters frappierend ähnlich.

Ob die Arbeit an einem solch zentralen Teil seiner Vergangenheit auch die kommenden Alben beeinflussen werde, will ich wissen. „Ganz sicher. Ich habe jedenfalls riesige Lust, wieder live im Studio zu spielen – zusammen mit Steve Wickham als festem Mitglied. Ich freue mich darauf, die akustische Seite der Waterboys neu zu entdecken. Es soll ein wirklich großes Album werden. Mit weniger geb ich mich nicht zufrieden.“ Doch darauf wird man wohl noch bis Ende 2002 warten müssen. So lange wird uns „Too Close To Heaven“ein treuer Begleiter sein.

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