Nichts als die Wahrheit

MÜNCHEN, BACKSTAGE.

Conor Oberst entschuldigt sich gleich vorab, nur so zur Sicherheit, „für alles, was ich getan habe, und alles, was ich tun werde“. Dabei hat er gar keinen Grund. Er beginnt schwungvoll mit „Sausalito“ und spielt in den folgenden 90 Minuten fast alle Songs seines Soloalbums. Die fünfköpfige Mystic Valley Band steht ihm unaufdringlich zur Seite, auch ihr kann man nichts vorwerfen — obwohl die schönsten Momente dann doch die sind, wenn Oberst sich fast allein begleitet, beim gespenstischen „Cape Canaveral“ etwa oder beim wehmütigen „Eagle On A Pole“.

Viel zu sagen hat Oberst heute nicht, einmal nuschelt er „Guten Abend“, und vor „Moab“ sieht er sich gezwungen zu behaupten, es sei „absolutely zero truth in it“. Es stimmt also doch nicht, dieses „There’s nothing that the road cannot heal“. Dabei sieht Oberst nach all den Wochen auf Tournee tatsächlich einigermaßen gesund aus, wenngleich nicht so strahlend wie bei den Bright Eyes-Konzerten im vergangenen Jahr, als er im weißen Anzug als eine Art Engel auftauchte. Jetzt steht er da mit schlecht sitzender Jacke, Cowboystiefeln und fransiger George-Harrison-Frisur, die Band tragt ausgebeultejeanshosen und karierte Hemden.

Das ist das Problem bei solchen Konzerten: Irgendwie nimmt das gewöhnliche Erscheinungsbild ein wenig von dem Zauber weg, den Obersts Musik verbreitet, wenn man sie ganz allein zu Hause hört. Wenn seine Stimme, die natürlich auch auf der Bühne ergreifend ist, nicht gestört wird von anderen Eindrücken. Dem Mädchen, das sich vor die Lautsprecher drängt, um den Sänger mal kurz ganz aus der Nähe zu sehen. Dem Security-Typen, den sie ein bisschen verwirrt. Auch fragt man sich: Warum steht Nik Freitas wie ein Schluck Wasser da? Zur Zugabe darf der Gitarrist ein Stück singen, aber sein tolles Soloalbum werden die meisten wohl leider nicht kaufen, weil sie den Namen vergessen haben, bis sie daheim sind. Als Oberst das überragende „Milk Thistle“ singt, verdichten sich all die widersprüchlichen Impulse in seinem kleinen Körper: Während er die Stimme gerade noch ruhig halten kann, stupst er ständig das Mikrofon an und stampft mit den Füßen auf, als könne er die Energie nicht mehr richtig kanalisieren. Als wolle er raus aus seinem Leib, vielleicht auch wee von seinen Freunden, die er kurz darauf mit so viel Begeisterung vorstellt, als wären sie eine verdammte Rockband. „All the light and sound/ This little world’s too crowded now/ And there’s only one way out…“ Am Ende gibt es eine eher verzichtbare Version von Dylans „Corrina, Corrina“ und ein mitreißendes „I Don’t Want To Die (In The Hospital)“ – und völlig unnötigerweise wiederholt Conor Oberst seine Abbitte vom Beginn.

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