Nie mehr einsam

Nach dem Suizid ihres Ex-Schlagzeugers Paul Hester rückten die Neuseeländer Crowded House wieder enger zusammen

Schaut man sich heute das im letzten Jahr auf DVD erschienene Abschiedskonzert in Sydney im Jahr 1996 an, fällt einem neben all den tollen Lieder vor allem eines auf: die seltsam frivole, etwas aufgesetzte Fröhlichkeit, die auf der Bühne vorgeführt wird. Doch wie hätte man die tatsächlichen Befindlichkeiten auch eins zu eins umsetzen sollen? Trommler Paul Hester hatte seine Kollegen während der Welttournee zu „Together Alone“ sitzen lassen und sich darüber ziemlich mit Bassist Nick Seymour verkracht, Neil Finn hatte das Ende der Band verkündet und Seymour sowie Keyboarder/ Gitarrist Mark Hart arbeitslos gemacht – unfinished business überall, keine gute Voraussetzung für einen entspannten Auftritt. „Ich habe das damals alles weggedrückt“, erinnert sich Finn, „ich wollte einen guten Gig spielen, und dafür brauche ich immer alle Konzentration, die ich habe.“

Es begann die Selbstfindungsphase des Neil Finn: Zwei gute Soloalben und ein Soundtrack („Rain“ von 2003) sowie eine Reihe von Songs hier und da – Finn tauchte ab, nannte ein Album spöttisch „Try Whistling This“ und probierte sich ordentlich aus. „Das alles war sehr introspektiv“, nickt Finn, der bei den Interviews kein bisschen launisch, sondern unbedingt redebereit ist. „Ich wollte mit möglichst vielen Leuten arbeiten und herausfinden, wie ich funktioniere, wenn ich auf mich allein gestellt bin. Das alles hat seine Berechtigung, auch wenn viele Leute die Crowded House-Alben vorziehen. Im Rückblick bin ich in meinen Texten manchmal wahrscheinlich zu obskur gewesen. Aus mir wird sicher kein Geschichtenerzähler mehr, aber jetzt ist es mir schon wichtig, etwas auszusagen und einen Kern erkennbar werden zu lassen.“

Diese Entwicklung begann bereits 2004, mit ,.£i>eryoiie h Hcrc“, dem herzenswarmen Album der Finn Brothers, und sie hätte sich auf dem für dieses Jahr geplanten dritten Solowerk von Neil Finn fortsetzen sollen. Doch es kam anders: Am 26. März 2005 erhängte sich Paul Hester in einem Park in Melbourne – Hester, der in denjahren nach dem Ende von Crowded House als recht prominenter TV-Präsentator und Gelegenheitstrommler gearbeitet hatte, litt dem Vernehmen nach an Depressionen, vor denen er offenbar schließlich kapitulierte. „Ich erinnere mich noch an den Anruf meiner Frau“, sagt Finn, der damals mit Bruder Tim auf Tour war, „dieser Moment, in dem sich alles dreht und dein Gehirn sich schlicht weigert, die Worte hereinzulassen – ein extrem surreales, beängstigendes Gefühl.“ Finn hat dieses Gefühl in einen Song namens „She Called Up“ umgesetzt, ein hysterischer, verzweifelt fröhlicher Schnappschuss, der zugleich Trauerbewältigung und sehr reales Gedenken an Paul Hester ist – Hester, der „Mad Clown“, dessen manisches Wesen Crowded House nicht nur auf der Bühne nachhaltig geprägt hat. „Als ich mich hinsetzte, um Songs zu schreiben, war schnell klar, dass sie alle irgendwie mit Pauls Tod zu tun haben würden“, sagt Finn, „der Verlust ist einfach riesig, und man denkt dann über die entsprechenden Dinge nach – was mache ich mit meiner Zeit, was ist mir wirklich wichtig, was wird bleiben.“

Es sind wohl solche Gedanken, die Finn dann mit dem mittlerweile in Dublin lebenden Nick Seymour zusammenrücken ließen, zunächst als Freund, dann als Musiker, als Finn Seymour für eine Session nach Auckland einlud. „Mächtig Schiss“ habe er gehabt, sagt Seymour, der sich zwischenzeitlich als Produzent zu etablieren versucht hatte. „Es sagen zwar immer alle, dass sie den Bass auf den Crowded House-Alben mögen, aber gebucht hat mich in den letzten zehn Jahren niemand.“

Seymour und Finn kamen dann gut zusammen, weil Ersterer nicht einfach nur Bass spielte, sondern wie früher die Arrangements beeinflusste. Irgendwann wurde klar, dass „Time On Earth “ kein Solo-Album von Neil Finn, sondern ein Crowded House Album werden würde, trotz der möglichen Unkenrufe und Selbstzweifel. Als dann mit Trommler Matt Sherrod (früher bei Beck) der richtige Nachfolger für Hester gefunden war und mit Mark Hart das letzte fehlende Mitglied ins Line-up zurückkam, war es vorbei mit den Solojahren des Neil Finn. „Ich wollte plötzlich nicht mehr zurück in das einsame Dasein eines Solokünstlers“, sagt Finn, „ich wollte wieder in einer Band sein. Ich hatte völlig vergessen, wie gut sich das anfühlt.“ „Time On Earth“ist tatsächlich ein Crowded House-Album, und ein würdiges dazu. Weil diese Lieder draußen stattfinden, geprägt vom Kollektiv, nicht vom Alleingang. Und weil sie die offene, lästig nagende Frage beantworten, die zwischen den letzten beiden Platten der Band steht – dem so plakativen wie subtil ironischen „Woodjace“ und dem rätselhaft verhallten, programmatisch betitelten „Togetlier Alone“. Mit einem Neil Finn, der sich verletzlich gibt und seinen Liedern das Sprechen beibringt. „Die alten Songs sind dermaßen präsent in Neuseeland, dass es mir gar nicht mehr auffällt, wenn ich sie im Supermarkt mitsumme“, grinst Finn, „es wird Zeit, dass es mal was Neues zu hören gibt.“

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