Nine Inch Nails

Es war ein schneller Doppelschlag vor dem Millennium: Nach der grotesk langen Hinauszögerung des Veröffentlichungstermins lag plötzlich jenes opulente Meisterwerk auf der Ladentheke, das zwar ,,,77ie Fragile“ hieß, in Aufmachung, Klang und Gebaren aber keineswegs zerbrechlich wirkte. Trent Reznor, der von Mythen und Legenden umwehte Alternative-Papst Amerikas, hatte sich mitsamt kalt-dröhnender Düster-Mucke und einer neuen Fuhre zerquälter Psycholyrik nicht nur aus dem Keller seiner Gruft in New Orleans herausgewagt, er begab sich sogar flugs auf Tournee, um das offenbar mit viel Blut, Schweiß und Tränen Errungene herumzuzeigen. Ganze zwei Audienzen gewährte er seiner deutschen Anhängerschaft, eine davon in der funktionell-unprätentiösen Berliner Columbiahalle – der passende Ort für Reznors Geisterbahnfahrt durch die emotionalen Schluchten seiner Seele.

Die Band, wie Statisten auf dem schattenreichen Areal der weitläufigen Bühne verteilt, lieferte einen apokalyptisch donnernden Soundtrack und versuchte mal mehr, mal minder erfolgreich, die Computergeburten ihres Anführers mit traditionellem Instrumentarium umzusetzen. Dazu lief das Geräusche-Playback im Dauereinsatz. Vertikale Neonröhren an der Hallendecke wurden stroboskopartig illuminiert und wirkten wie Blitzgewitter aus Fritz Längs „Metropolis“. Und da, inmitten dieses monochromen Infernos, stand schließlich Reznor, die Gitarre tiefhängend, die Hemdsärmel abgeschnitten – und sah für einige Augenblicke aus wie das negative Spiegelbild der Rock-Ikone Springsteen. Der „Anti-Boss“, born in thefiicking USA. Die dann folgenden 90 Minuten waren schnell und hart, aber leider auch perfektionistisch und glatt. Sehr eindrucksvoll bewiesen Nine Inch Nails, dass sie bei aller subkulturellen Credibility trotzdem noch funktionierender Teil des amerikanischen Entertainment-Systems sind.

Am Ende des Sets wurden folglich frühe NIN“Hits“ wie Popcorn ins gruftig-alternative Publikum geworfen, wo das Spektakel mit Jubel und alkoholgestützter Ekstase konsumiert wurde. Mit Seelenstrips wie „Head Like A Hole“, „Down In It“, „Closer“ und schließlich „The Day The World Went Away“ fand die Horrorshow ihr effektvolles Ende. Gestern war Tanz am Abgrund angesagt, Baby. Eintritt 33 Mark.

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