Oasis: All die alten Rituale

Berlin, Arena Liam Gallagher kämpfte mit Stimmproblemen, allein die Songs und Bruder Noel retteten den Abend.

Anderntags wurde Liam Gallagher ins Krankenhaus eingeliefert, mit akuter Halsentzündung und einem Stimmband-Ödem, Gigs wurden abgesagt. Zu spät, denn was der Sänger in Berlin raunzte und röchelte, entbehrte Säure und Aggression, ließ jede Sicherheit vermissen und hatte nichts mehr gemein mit diesem patentierten, gleichermaßen von Lennon und Lydon inspirierten, rasierklingenscharfen Raspeln, das für Oasis so konstitutiv ist wie Noels Tunes. Das ihm in den letzten Jahren freilich ohnehin nur noch ausnahmsweise gelingen wollte. Ursache sei Liams Lebensstil, schimpft der große Bruder, das Schindluder, das „our kid“ mit seiner Gesundheit treibe. Die Spannungen auf der Bühne sind mit Händen zu greifen. Kaum würdigt Noel den angeschlagenen, sich mittels Asthma-Spray mühsam über die Runden rettenden Endsilben-Verschlucker eines Blickes, verdrießlich beugt er sich über die Gitarre, an Rapport mit dem Publikum ist nicht zu denken. Auch Liams matte Versuche, die Idolatrie in Stimmung umzumünzen, scheitern kläglich: „Anybody here from England?“. Sonst Anlass für Bonding, klingen die „Yeahs“ diesmal eher wie Solidaritätsbekundungen als nach dem Triumphgeheul rabaukiger Lads. Gut, dass Oasis-Gigs noch nie auf Frohsinn gesetzt haben oder auf andere anbiedernde Show-Elemente. Ist der Star unpässlich, fällt man auf die Songs zurück. Und die sorgen sogar in schwachen Versionen noch für ordentlich Adrenalinschub. Das sublime „Slide Away“ wischt wehmütige Gedanken an weitaus großartigere Konzerte dieser Band für kostbare Minuten weg. trotz Liams Krächzen, „The Masterplan“ und“The Importance Of Being Idle“ brauchen ihn nicht, „Morning Glory“ rollt majestätisch durch die Halle, bei „Supersonic“ huscht ein höhnisches Lächeln über Noels Gesicht auf dem Screen, als Liams Stimme ausgerechnet an der Gimme-Gin and tonic-Stelle wegbleibt. Von den neuen Songs funktioniert „The Shock Of The Lightning“ am besten, wohl weil dem Vokalisten bei „I’m Outta Time“ gen Ende die Luft vollends ausgeht und „Falling Down“ nach dem Massenchor für „Don’t Look Back In Anger“, von den Fans dankbar absolviert, sowieso blass bleiben muss. Die Klammer der Set-List, „Fuckin‘ In The Bushes“ und „I Am The Walrus“, hat sich erkenntlich abgenutzt in all den Jahren, eine neue Dramaturgie wäre gewiss nicht verkehrt.

Andererseits sind es nicht zuletzt Rituale, die einen Gutteil jener Faszination ausmachen, von der Oasis-Gigs leben. Liams herausfordernd arrogantes In-die-Menge-Starren, sein absurder Watschelgang, die Art, wie er sich den Schellenring-Halbmond ins Gesicht hängt wie ein maliziöses Grinsen. Noels Mienenspiel, das Bände spricht, und seine Ansagen, die nichts sagen. Den Musikern, die nicht Gallagher heißen, bleibt die Statistenrolle. Woran sich Gern Archer und Andy Bell trotz zehnjähriger Mitgliedschaft gut bezahlt gewöhnt haben dürften. Nur Beils T-Shirt macht auf sich aufmerksam: „Jesus was wrong“. Und Keyboarder Jay Darlington, nicht von ungefähr „Gandalf“ gerufen, durch seine rauschebärtige Erscheinung. Am Ende ist Liam schnell verschwunden, Noels Züge entspannen sich, und er murmelt tatsächlich etwas, das sich anhört wie „thanks for comin'“. Keine Ursache.

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