OFF THE RECORD

Nur dem unzeitigen Tod von Diana Spencer ist es zu verdanken, daß die deutsche Plattenbranche noch einmal den süßen Duft vergangener, fast schon vergessener Boom-Jahre schnuppern durfte:

Der Verkauf von Eltons Lamento „Candle In The Wind“ erinnerte an alte „Amiga“-DDR-Zeiten: Distribution als Verteilungsproblem von herrschender Knappheit. Für Eltons Di-Single mußten im Hannoveraner Poly-Gram-Preßwerk die 24-Stunden-Schichten gefahren werden, der Plattenhandel beklagte sich bitter darüber, weit weniger CDs geliefert zu bekommen, als er verkaufen könne. Am Ende des Jahres waren dennoch über vier Millionen Singles verscherbelt. Ärgerlich nur, daß alle Erlöse an den „Diana Fund“ abgeführt werden mußten und so die triste Ertragslage der gebeutelten Platten-Branche nicht lindern halfen.

Deren Erträge zeigen nämlich seit Jahren ständig nach unten. Die Eckdaten: Tag für Tag kommen in Deutschland rund 27 neue CDs und MCs auf den Markt, jährlich werden 300 Millionen Tonträger (Singles und Alben) verkauft, was der Branche einen Umsatz von gut 4, 7 Milliarden Mark beschert. Viel Geld wird bewegt, von dem jedoch immer weniger als Gewinn übrig bleibt. Einzig die mit Marketing-Millionen beworbenen Compilations wie „Kuschelrock“ oder „Bravo-Hits“ legten ein Umsatzplus von fast 30 Prozent hin. Doch auch hier gilt: Viel Werbung kostet viel Geld, und das fehlt beim Gewinn.

Die Gründe für die Flaute sind bekannt: Preisverfall der CD (ausgelöst durch die Dumpingpreise der Mediamärkte), Verunsicherung des Konsumenten angesichts einer unüberschaubaren Veröffentlichungs-Flut, Medien-Overkill und die daraus resultierende, schrumpfende Halbwertszeit neuer Popstars. Nur wenige Plattenbosse aber trauen sich, wie der junge „Motor Music“-Chef Tim Renner, öffentlich zuzugeben, daß man zu lange auf dem hohen Roß idealer Rahmenbedingungen (geburtenstarke Jahrgänge, Einführung der CD) saß: „Wir müssen unbedingt vermeiden, im Umgang mit Konsumenten und Künstlern selbstgefällig unsere eigene – scheinbare – Bedeutung raushängen zu lassen.“

Preiserhöhungen im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld dürften da wohl ebenso kontraproduktiv sein. So glaubte EMI-Chef Helmut Fest noch im September, „daß neue CDs durchaus bis zu 50 Mark kosten dürfen“. Bei dem frommen Wunsch wird es wohl bleiben. Die Wirklichkeit sieht so aus, daß die EMI ihr „Spin“-Label – erst 1995 gegründet, um „Künstler wieder über mehrere Alben zu fördern“ – angesichts roter Zahlen zum Jahresende einstellen mußte. Nach dem Exitus der moribunden Metronome die zweite Firma, die 1997 auf der Durststrecke blieb.

Inzwischen haben zwar 70 Prozent aller Deutschen einen CD-Player, aber die Hälfte kauft keine CDs! Der Kampf um die kaufenden 50 Prozent wird folglich mit immer härteren Bandagen geführt. Und da neue Umsatzträger nur noch höchst selten eingeführt werden können, wird um die etablierten erbittert gekämpft.

Was auch Universal-Chef Heinz Canibol zu spüren bekam. Dort hatte man in den Aufbau von Moses Pelhams Rödelheim Hartreim Projekt und „Schwester S.“ weit mehr als eine Million DM investiert. Doch in einer Nacht&Nebel-Aktion, die Laufdauer des Vertrages war nicht mal zur Hälfte erfüllt, wechselte Pelham den Stall: Sony hatte ihm noch bessere Konditionen geboten. Aus juristischen Gründen heißt die Schwester jetzt Sabrina Setlur („Die neue S-Klasse“) und beglückte die Sony prompt mit einer Goldenen Platte. Universal-Chef Canibol grämt sich derweil über das „Ende der Solidarität“, erstritt sich aber immerhin eine substantielle Ablösesumme: „Die Frankfurter Fraktion hat bekommen, was sie wollte, und wir, was wir brauchten; insofern ist für uns dieses Kapitel hiermit abgeschlossen.“

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