Ohrwürmer sind es nur an der Oberfläche. Für The Auteurs ist Pop eine abgründige Fassade

„Sugar Baby Love“ a catchy little tune, wie der Angelsachse sagt. Lässig abgeschüttelt. Der Song zum Refrain des ersten GB-Radiohits in der siebenjährigen Geschichte der Auteurs heißt „The Rubettes“ und ist eine Quasi-Coverversion jener Pop-Schmonzette, mit der die gleichnamige teen-sensation 1974 weltweit einen Hit landete. Subversiv sei das, meint Luke Haines, Gründer, Sänger und Macher der Auteurs. Haines hasst es nämlich – das vor allem in Britannien grassierende und bemerkenswert zähe Seventies-Revival mit Abba und deren Klon-Band Steps in vorderster Front „Und der beste Weg, um meine Aversion zu kanalisieren, war eben ein sarkastischer Song über dieses Phänomen. Die Rubettes symbolisieren einfach perfekt alles, was damals in der Musik schiefgelaufen ist.“ Und der Quark werde nicht besser, indem man ihn qua Revival nun noch einmal breit trete.

Wie’s wirklich war, besingt Luke auf dem Rest von „How I Learned To Love The Bootboys“, dem vierten Haines-Album unter dem Auteurs-Siegel; hinzu kommt eine Platte mit dem Side-Projekt Baader-Meinhof (die hier zu Lande aufgrund eines Anti-Terroristen-Gesetzes nicht verkauft werden darf) sowie ein Album mit der Neben-Band Blackbox Recorder. Das durchgehende textliche Thema des neuen Albums sind Kindheit und Adoleszenz von Herrn Haines, eingebettet in einen musikalischen Kontext, der die Grenze zwischen Statement und Sarkasmus bewusst zu verwischen scheint. So lässt sich das Konzept – mit dem Terminus „Konzeptalbum“ kann Haines durchaus leben – am ehesten als ironisch-distanzierte Rezeption einer Ära verstehen, in der man den Spagat zwischen Blauäugigkeit und Ironie noch nicht beherrschte. „Was mir von meiner frühen Jugend am Nachhaltigsten in Erinnerung geblieben ist, das ist die erschütternde Normalität jener Zeit. Alles war schwarz und weiß, und in Surrey, wo ich herkomme, war’s nicht mal das: Dort war es grau.“

Im Kontrast zum wenig verdaulichen Vorgänger „After Murder Park“ setzt Haines (der bereitwillig einräumt, dass er nie mit Musikern abhängt, „über alles andere lieber als über Musik“ reden würde und wenig von Band-interner Demokratie hält) diesmal auf fast schon puren Pop. „1967“, der Song über das Jähe, in dem er zur Welt kam, ist ein – man darf s so platt sagen, Haines tut’s auch – Ohrwurm; „Your Gang, Our Gang“ klingt wie eine posthume Reprise der Punk-Bewegung, die er altersbedingt verpasste und erst zu goutieren begann, als schon alles vorbei war; Johnny & The Hurricanes“ ist ein Seventies-Rocker über eine fiktive Band, die Haines damals gern gegründet hätte, während er heute heilfroh ist, dass es dazu nie kam. Ironie? Klar, aber er meint’s auch ernst Keine Verballhornung, sondern Konsequenz.

Wie es sich gehört, schließt das Album mit einem balladesken Fazit, „The Future Generation , Resümee und Ausblick, alles wird gut, denn Luke macht weiter Musik und wird die Welt retten.

Oder doch nicht. „Es würde mir keinen Spaß machen, wenn die übrige Musik ausnahmslos gut und gesund wäre. Pop ist wie Fußball: Es muss Hass zwischen den Teams geben.“ Hüben hasst er Manchester United, drüben Blur und Mercury Rev, in beiden Fällen vor allem deshalb, weil alle anderen diese Teams so toll finden.

Oder meint er das jetzt auch wieder nicht so ganz ernst? „Doch, sehr sogar, glaub’s mir, bitte.“

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