On the road again

Tom Waits ist zurück: Das neue Album, „Bad As Me“, ist eine der überzeugendsten Song-Sammlungen dieser Karriere – eine überraschende Demonstration der künstlerischen Kraft, die bei Waits zuletzt zu schwinden schien. Ein Gespräch über Kassettenrekorder, Captain Beefheart und das Reden in Zungen.

Everett Winkelmann ist weg. Der Holländer hatte mit seinem Lokal Little Amsterdam in Sonoma County unweit von San Francisco zu viele Schulden gemacht (sagen die einen) – oder wegen des von illegalen Mexikanern bewohnten Trailerparks in seinem Garten Ärger bekommen (sagen die anderen). Mariachi-Partys, skurriles Ambiente, zahnloser Wirt: Im Little Amsterdam gab es jede Menge food for songs. Weshalb es das Lieblingslokal von Tom Waits war. Und ein guter Platz, um die Presse alle paar Jahre für eine Handvoll Interviews zu empfangen.

Im neuen Lokal, ein paar Meilen die Straße runter, hängen tausend Ein-Dollar-Scheine an der Decke, rangepinnt von jedem Gast, der auf der Note Name und Datum hinterlässt. Man muss auf einen Barhocker steigen, um hochzukommen. Die Regel sei, nicht runterzufallen, sagt die etwas herbe Bardame ohne erkennbaren Humor. Man tut sein Bestes. Hier ist Amerika noch es selbst: Vor der Tür Harleys und Trucks, drinnen Fotos von Harleys und Trucks, dazu Heinz-Ketchup und 70s-Rock im Radio. More coffee? Sure, why not.

Waits ist schon länger vor Ort, sitzt aber noch draußen in seinem Auto (kein verbeulter Pick-up, sondern ein schwarzer – immerhin verstaubter – Audi A6). Er komme gleich nach, hat er gebrummelt und in ein kleines Notizbuch geschrieben. Der Interviewer ahnt, dass da was kommt, und ist gespannt.

Fünf Minuten später ist er da, in Jeans und mit einer alten ledernen Aktentasche unterm Arm, als ginge er zur Arbeit. Die Haare stehen zu Berge, das bleibt wohl für immer so. Ob das da auf dem Tisch ein digitales Aufnahmegerät sei, will er wissen. Ja, ist es. „Sie hören jetzt auf, viele gute Dinge herzustellen“, brummt Waits, „das eine ist die herkömmliche Glühbirne, das andere sind die Tonbandkassetten. Ich horte sie, weil ich sie für meinen Rekorder brauche. Ich muss sehen, wie sich die Räder in der Mitte drehen, sonst denke ich, ich spreche bloß in einen Schuhabsatz oder ein beschissenes Mayonnaiseglas.“

Mechanik, Maschine, Hebelwirkung: Nur so macht es Waits. Immer geht es in dieser Karriere um das Wirkliche, um Blut und Knochen, von Waits ins Hyperreale übertrieben. Mit seinem letzten regulären Album, „Real Gone“ von 2004, wollte er etwas von dem Gutturalen, Golemischen zurückholen – das Album klang, als würde die Band unten im Keller auf kaputten Instrumenten spielen., ,Hoist that rag“, sang der Künstler und meinte vielleicht sich selbst. Doch das Werk fremdelte und schien einen etwas ratlosen Tom Waits zu dokumentieren. Dann wurden die Archive geöffnet: Mit „Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards“ erschien ein Dreifach-Album mit Ausgesondertem und Vergessenem. Man überlegte, ob Waits wohl in die Schlussrunde eingebogen war.

Angesichts des neuen Albums stellt sich die Frage nicht mehr. Denn mit „Bad As Me“ schafft Tom Waits eine hervorragende Liedsammlung, eine der besten seiner Karriere. Ein mitgereister Abgesandter der Plattenfirma sagt, „Bad As Me“ klinge, als hätte Waits ein Greatest-Hits-Album aufgenommen – mit neuen Songs.

Kann man so sagen. Gemeinsam mit Kathleen Brennan, Ehefrau und Co-Autorin, verfasst Waits enorm klare Lieder, in denen die meisten Stimmen dieses Werks vorkommen. Der monströse Brüller, der romantische Heuler, der surreale Bastard. Waits spielt polternde Rumba, absurden Soul, bizarren Rockabilly und blutigen Tango. In der brutalen Militär-Persiflage „Hell Broke Luce“ lässt er sogar die fiese Kakofonie von „Bone Machine“ auferstehen. Das Lied schwankt durch die Schützengräben wie ein Panzer auf Stelzen.

Aber auch der sentimentale Cowboy-Song und die schwülstige New-Orleans-Ballade sind dabei – in vier, fünf wunderbar komponierten Liedern, die von jenem Gefühl der Zeitlosigkeit durchdrungen sind, das „Tom Traubert’s Blues“ und „Hold On“ unsterblich machte. Die Lyrik in den neuen Liedern wirkt gestrafft – selbst einer wie Waits ist nicht davor gefeit, dass mal ein Vers in die Hose geht. Die Gattin sei streng gewesen und habe aus zwölf Strophen schon mal drei gemacht, sagt Waits. „Du hast immer mehr Songs, als du brauchst. Einige werden tot geboren, bei anderen wirst du zum Leichenfledderer. Du schneidest einem Vogel die Flügel ab und klebst sie einem anderen an. Eine Platte zu machen, ist jedes Mal gleich und jedes Mal anders. Du nimmst eine Pille und fährst hinab in die Hasengrube. Du hast keine Ahnung, wie es wird, und weißt doch, was dich erwartet. Du hast eine Technik, die du über die Jahre entwickelt hast. Ich habe die auch – ich weiß, wie man zielt, und ich weiß auch, wie man schießt.“

Die zweite wunderbare Wahrheit über „Bad As Me“ ist: Selten wurde auf einem Tom-Waits-Album so inspiriert miteinander gespielt. Waits hat sich ein Kollektiv aus zehn, zwölf Musikern zusammengestellt. Alles Könner, die ebenso gut zielen und schießen können wie Waits selbst. David Hidalgo spielt beseelt Saiteninstrumente und Geige, Marc Ribot malt Gitarrenfarben, die sonst keiner auf dem Kasten hat. Dazu Vox-Continental-Legende Augie Meyers sowie diverse Jazz-Könner und Sonderlinge wie Primus‘ Les Claypool – erstklassiges Personal, das hier ungewöhnlich gut harmoniert. Das ist ja oft ein Problem für Tom Waits, der die klinische Atmosphäre des Studios hasst, um die Konventionen der Musikaufnahme aber nicht herumkommt oder nicht herumkommen will. Selbst so großartige Alben wie „Mule Variations“ hätten noch besser sein können, wäre das verdammte Studio nicht – im Ernstfall hat Waits seine Alben immer noch im Alleingang über die Ziellinie getragen. Doch auf „Bad As Me“ ist alles am Leben, küsst sich oder schlägt sich, wühlt, fühlt, walzt und spuckt. Nie war auf einem Waits-Album soviel Platz für das gute, wahre Musikertum.

Bei einer Handvoll Songs spielt neben Marc Ribot ein alter Bekannter von Tom Waits die Gitarre: Keith Richards. „Ich traf mich mit ihm in einem Studio in New York, in Chinatown, aber ich wäre auch nach Madagaskar gegangen oder nach Hong Kong“, sagt Waits mit spürbarer Hochachtung. „Da steht Keith und spielt seine Gitarre auf meine Lieder, boom boom boom bah, und ich frage, was ist das, und er sagt, ja Mann, lass uns das probieren. Er will immer genau wissen, was die anderen spielen, er will jedem vorgestellt werden, damit er seinen Platz findet. Das kann Keith gut – ein Gockel wie er wird niemals krähen, solange ein anderer Gockel kräht. Er wartet, bis der andere fertig ist, weil er allein am Mikrofon stehen will.“

Am Schlagzeug sitzt bei den meis-ten Songs Casey Waits, der älteste Sohn von Tom und Kathleen. Das ist eine Beförderung; noch auf „Real Gone“ war der Spross eher für Geräusche und ein paar elektronische Beats zuständig. Doch Casey Waits spielte seither viel mit seinem Vater – und anderen prominenten Musikern wie Chili-Peppers-Bassist Flea, der auf „Bad As Me“ einige Tracks beisteuert. War der Sohn aufgeregt? „Am Anfang ein wenig, aber dann war er im Rennen“, erinnert sich Waits, „das gehört ja dazu – wenn du nicht nervös bist, atmest du nicht. He’s a natural; er spielt ein Jahr kein Schlagzeug, dann sieht er eines im Hinterzimmer eines Supermarktes und – boom – es klingt fabelhaft.“ Waits lächelt väterlich. „Er ist mein Sohn, keine Frage.“

A bunch of stuff, I:

Dichtung und Wahrheit

Wie spricht man mit Tom Waits? Waits, ist der Misstrauische, der Schlingel, der Stand-up-Poet – baden geht, wer auf ein lineares Gespräch hofft. Tom Waits sucht in der Unterhaltung dasselbe wie in seiner Musik, einen guten Flow, eine Beziehung, ein Spiel – etwas, das am Leben ist. Doch nicht um jeden Preis; die Unterredungen in Beatnik County sind auch Inszenierungen, in denen Waits der übertriebenen Version seiner selbst treu bleibt und nur preisgibt, was die Schwelle zum Privaten nicht zu sehr überschreitet. Und wir hoffen auf die Finten, Parabeln, bizarren Fakten und unterhaltsamen Halbwahrheiten des Geschichtenerzählers Tom Waits. Waits, der auf dem Rücksitz eines Taxis geboren wurde. Waits, in dessen Garten Reagan und Breschnew den Kalten Krieg verhandelten. Waits, dessen Onkel ein Rasiermesser verschluckt hat und danach mit Reibeisenstimme sprach. Einfälle und Spontanpoesien, die manchmal genauso schön sind wie die Lieder des Wort- und Melodienschmieds.

Nach einer Stunde in Sonoma: endlich die Aktentasche. Waits nutzt einen Moment, in dem das Gespräch zu ermüden droht, um die Führung zu übernehmen. Wir sehen uns ein Buch mit alten Bildern und Texten verlorener Folksongs an (,,I Listen to the Wind That Obliterates My Traces“ von Steve Roden) und unterhalten uns über die Schönheit des Liedtitels, ,Stop Kickin‘ My Dog Around“. Waits klappt sein Notizbuch auf. „Ich werde dir jetzt einen Haufen Zeug erzählen – einiges ist wahr, anderes nicht. So wie ich es sehe, wird die Wahrheit ohnehin überschätzt. Ich möchte, dass du folgende Sachen über mich weißt:

,,Ich kann Hühner hypnotisieren; ich kenne den Text von „Louie, Louie“ auswendig; mein Vater saß einmal mit Woody Guthrie an einem Lagerfeuer; ich habe sechs Zehen an jedem Fuß; meine Schwester ist ein Kommunist; ich sammle seltsame, irgendwie unheimliche Türen; ich bin mit diesen Menschen verwandt: Oprah Winfrey, Sir Walter Raleigh, Bo Diddley, Dschingis Khan, Charlie Watts, Betty Ford, Red Skelton; ich träume ununterbrochen von Hühnern. Vor vielen Jahren sah ich einen toten Mann in einem Auto in Baker, Kalifornien. Woher wusste ich, dass er tot ist? Eine Fliege krabbelte über sein offenes Auge und er scheuchte sie nicht weg. Hier sind ein paar Worte, über die du nachdenken solltest: schlecht, Tango, Reißverschluss, eng, laut, töten und Feuer. Sie fassen ganz gut mein Leben zusammen.

Und hier ist noch eine wirklich seltsame Sache: In Kuba gibt es eine Heilquelle, die Epilepsie, Herzinsuffizienz, Hämorriden, Herpes, Gicht und sogar Krebs heilt. Das ist in dem Wasser: Salz aus dem Toten Meer, Kamelpisse, Walsperma, Schlangenblut und die Zähne eines Chinesen. Ich bin ja kein Arzt, ich weiß nicht, warum das funktioniert. Aber ich war mit einem Freund da, der Krebs hatte, und er ist jetzt in der Reha. Seltsam, oder?“

Dass Waits vorbereitet zum Interview kommt und sich so seine Gedanken macht, kennt man aus vielen ungewöhnlichen Pressegesprächen. Es gibt sogar einen Reader, in dem einige dieser Gespräche zusammengefasst sind („Innocent When You Dream“ von 2006). Die Wahrheit wird gemeinhin überschätzt, sie kann ohnehin nur aus dem Augenwinkel gesehen werden – so sieht es Waits.

Oft sagen Sie, Sie würden mit Ihrer Musik „in Zungen reden“. Was bedeutet das?

Ich bin früher viel in Kirchen gewesen, in denen die Leute in Zungen gesungen haben, total seltsam. Aber ich glaube an so etwas; es ist wie der Anfang der Sprache. Wenn ich Songs schreibe, versuche ich mich zu überlisten und an so einen Ort zu kommen – man darf nicht nachdenken, sonst wird es nichts. Auf er anderen Seite lasse ich mir heute mehr Zeit beim Schreiben und überlege genauer.

Auf Ihrem neuen Album verarbeiten Sie viele Stile: Blues, R&B, Rockabilly, Swing. Aber Sie überspitzen und verzerren sie wie ein surrealer Maler seine Motive. Ist das ein passender Begriff, surreal?

Ich hoffe doch. Was du bei mir hörst, ist nie das eigentliche Ding – eher eine Art performance piece. Ich nehme die Sache aus ihrem normalen Kontext und stelle sie in einen anderen. So als würden wir diesen Tisch hier ins Museum stellen, dann wird er viel wichtiger, als er eigentlich ist. Er bedeutet wieder etwas.

Ihre Lyrics lesen sich manchmal wie Gedichte – auch auf diesem Album erinnert mich einiges an Charles Bukowski, der Sie zu Beginn Ihrer Karriere beeinflusst hat. Haben Sie ihn jemals getroffen?

Das war Jahre später. Es war nicht so toll, wie ich es mir vielleicht vorgestellt hatte – ich saß mit meiner Frau und ihm an einem Tisch und wir tranken sehr starken Wein, oh Mann. Sie wollten damals, dass ich die Hauptrolle in „Barfly“ (Kinofilm von 1984 mit Motiven aus Bukowskis Leben) spiele. Aber ich hatte so einen Wirbel um mein Trinkproblem gemacht, es war irgendwie nicht richtig … Ich habe abgelehnt.

Ein anderes Ihrer Vorbilder ist im letzten Jahr gestorben: Don Glen Van Vliet alias Captain Beefheart.

Ja, das ist seltsam … Ich vermisse ihn und unsere Gespräche sehr. Ich war bis zum Schluss mit ihm in Kontakt, wir haben regelmäßig telefoniert. Er war wegen seiner Krankheit sehr schwer zu verstehen – auch das Malen wurde immer schwieriger, aber er ist bis zum Ende drangeblieben.

Waren Sie so eng befreundet, dass er Ihre Nähe suchte?

Nein, es war andersherum. Ich bat um Erlaubnis, hin und wieder anrufen zu dürfen. Er war ein Lehrer für mich, wie ein Grundstein in meinem Leben. Ist schwer zu beschreiben, was er mir bedeutet – so einen wie ihn gibt es nur einmal. Jetzt ist er weg und kommt nicht zurück.

A bunch of stuff, II:

Zwischenhalte auf dem Weg

Auch in Waits‘ Notizbuch geschrieben sind Erinnerungen, die er für das ROLLING STONE-Gespräch hervorgeholt hat. Als er zu erzählen beginnt, ändert sich der Tonfall: Eben noch war Waits der Beat-Poet, der nicht zuletzt sein eigenes Klischee bedient, jetzt blickt er fast wehmütig in die Vergangenheit. Die Reise geht zurück in das Jahr 1964. Waits ist 14 Jahre alt und hat seine erste Band am Start, The Systems. „Woher der beschissene Name kam, keine Ahnung, vielleicht habe ich ihn mir ausgedacht. Natürlich hatten wir kein System – wir waren Kinder, wir wussten nicht mal genau, woher die Babys kommen. Wir spielen jedenfalls, und da kommt dieser Typ in unseren Hinterhof. Er wohnt gegenüber, in einem rosa Haus mit niedrigen Decken. Er ist so 25, überall tätowiert. Er war in der Army. Alle sagen, er schläft mit seiner Schwester. Er hört sich unsere Musik an und beginnt, langsam zu nicken. Er sagt, yeah, yeah, good und zieht an seiner Kippe. Ich werde diesen Moment nie vergessen – es war, als würde dein großer Bruder dir sagen, da geht was, du hast was drauf. Ob es stimmt oder nicht, spielt keine Rolle. Es ist ein Samen, der später aufgehen wird. Ich erinnere mich, dass ich gedacht habe, mein Gott, ich habe noch einen langen Weg vor mir. Aber ich habe auch gespürt, dass ich etwas gefunden hatte, das ich verstand, und dass ich eines Tages auch auf die andere Straßenseite gehen würde, um ein paar Kids zuzunicken und Mut zu machen. Wir geben diese Dinge auf eine sehr unzeremonielle Art weiter, und doch bedeutet es sehr viel.“

Ein paar Jahre später steht Waits am Freeway Richtung Los Angeles. Es regnet, er sucht Schutz in einem Haltestellenhäuschen und hält den Daumen raus. Waits ist auf dem Weg zum Troubadour, wo man montags bei einer Open Stage auftreten kann. Jeder macht das: montags im Troubadour drei Lieder spielen. Nach einer Weile im Bushäuschen hält ein alter Typ mit einem VW Bus an und winkt Waits hinein. Am Rückspiegel hängen diese Hippieperlen, der Motor rattert und spuckt. „Du bist ein Musiker“, sagt der Typ, „deshalb habe ich angehalten. Vielleicht kennst du mich, vielleicht auch nicht – ich habe einen Song geschrieben, der sehr berühmt geworden ist.“ Er singt „Nature Boy“, Nat King Coles großen Hit von 1948. Nach nur ein paar Meilen lässt der alte Typ – es ist der legendäre Aussteiger Eden Ahbez – Waits an einem noch schlechteren Ort wieder aussteigen, aber das ist egal. Waits hatte eine Begegnung mit einem, der wirklich im Showbusiness war, das war wichtig.

„Warum erzähle ich dir diese Sachen? Weil ich über sie nachgedacht habe, über die Zwischenhalte entlang des Weges, der mich hierhergebracht hat, an diesen Tisch. Nicht, dass ich jetzt an einem wichtigeren Ort wäre – jetzt gehe in die Fabrik, in der ich arbeiten wollte. Vielleicht waren diese Momente sogar viel wichtiger, weil ich in ihnen an etwas zu glauben begann, das ich noch nicht sehen konnte.“

Und was hat Tom Waits sonst noch gemacht in den letzten sieben Jahren? Ein Live-Album aufgenommen, auf Konzertreise gegangen („Die Tour war zu lang, das geht nicht mit Kindern zu Hause.“). Gedichte für einen Bildband namens „Hard Ground“ mit Fotografien von Obdachlosen geschrieben („Stimmt nicht. Ich habe nur ein Gedicht geschrieben. Sie haben es zerpflückt und im Buch verteilt.“). In drei Filmen mitgespielt – Roberto Benignis „The Tiger And The Snow“ und Tony Scotts „Domino“ sowie Terry Gilliams „The Imaginarium Of Doctor Parnassus“. Außerdem ließ Waits sich in die Rock And Roll Hall Of Fame aufnehmen. Ein herrliches Schauspiel ist die Laudatio, die Neil Young auf Waits hält. „Bevor er dran war, hielt John Legend eine sehr eloquente Rede über Dr. John“, erinnert sich Waits, „Neil lehnt sich zu mir rüber und sagt, du glaubst doch nicht, dass ich so viel reden werde, oder?“

Waits, der Rebell, im Kreis des Rock’n’Roll-Establishments. Ein zwiespältiges Gefühl? „Ja, doch, ist es. Ich bin ein Außenseiter, ich gehörte nicht dazu. Dazugehören, das heißt für mich, ich mache meinen Gürtel locker, ich ziehe mir die Schuhe aus und setze mich bequem in den Sessel. So, als wäre alles vorbei.“

Waits hat sich nicht im Sessel zurückgelehnt, sondern ist in die Fabrik gegangen und hat ein paar fabelhafte Songs gemacht, die etwas bewegen können und womöglich ein paar Jungspunde für Tom Waits‘ von Zeit und Generationen seltsam unberührte Musik begeistern werden. Good as him, good for us.

„Cotton Club“ (1984) Francis Ford Coppolas mit Schwierigkeiten belasteter Film, in dem Richard Gere einen Trompeter gibt. Tom Waits hat als Club-Besitzer nur möglichst quecksilbrig und sinister auszusehen.

„Down By Law“ (1986) Die Rolle als DJ neben John Lurie und Roberto Benigni, die aus dem Gefängnis ausbrechen, machte Waits berühmt. Auf dem Foto links ist er neben Regisseur Jim Jarmusch in New York zu sehen.

„Dracula“ (1993) Die bildgewaltige, ,Dracula“-Interpretation von Francis Ford Coppola wurde allgemein verrissen, doch Waits brillierte erschütternd als geisteskranker Seher, der vor der Ankunft des Vampirs in Panik gerät.

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