Patti Smith – Hamburg, Musikhalle

Sie wollte nur mal wieder „guten Tag“ sagen – und kam gleich mit Kind und Kegel. Eine Europa-Tournee als Familienausflug. Tochter Jesse durfte auf der Bühne sitzen und zusehen, wie ihr Bruder Jackson gar nicht so übel „Smoke On The Water“ runterbratzte. Tom Verlaine, ein Freund aus alten New-Wave-Zeiten, unterstützte sie gelegentlich cool, aber einfühlsam an der Gitarre. Dazu die Hälfte der alten Patti Smith Group, die vor 18 Jahren mal für einen kurzen Moment die größte Rock’n’Roll-Band der Welt war, der Journalist/ Gitarrist Lenny Kaye und Schlagzeuger Jay Dee Daugherty. Zwei Nummern lang – „Free Money“ und „Gloria“ – demonstrierten sie kurz, daß sie noch immer alle Bands dieser Welt mühelos an die Wand spielen könnten. Wenn sie nur wollten. Aber das will Patti ja nicht mehr.

Patti Smith will trauern. Um ihren Mann. Um ihren Freund. Ihren Pianisten, Ihren Bruder. Dabei klingt ihre Stimme noch immer so kraftvoll, intensiv und berührend wie damals, als sie noch den heiligen Krieg der Jugend gegen die fette römische Befriedigung führte. Ihr Gesang jagt einem noch immer eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken, wie damals, als die Revolution vor der Tür stand und die Punks aus den Kellern gekrochen kamen. Und wenn sie sich, fast 50 Jahre alt, in den Schritt faßt, hat das noch immer mehr Sex, als wenn Michael Jackson oder Mick Jagger sich einen runterholen. Aber es ist nicht mehr ihr Krieg.

Patti Smith ist vielleicht das beste Beispiel dafür, daß Rock’n’Roller sehr wohl in Würde altern können und nicht zwangsläufig zum Zyniker, zum Deppen oder zur Comic-Figur verkommen müssen. Ein Konzert mit Werkschau-Charakter, das man sogar in Reihe 17 des bestuhlten Musentempels genießen konnte.

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