Peaches, Kanadierin in Berlin, stößt mit ihrem postfeministischem Rock’n’Roll viele vor den Kopf

Es gibt wenige ehemalige Musiklehrerinnen, die regelmäßig in engen Hotpants und mit umgeschnalltem Plastik-Dildo auf die Bühne gehen. Weibliche Popstars, die sich zu ihren wild wuchernden Achsel- und Schamhaaren bekennen, sind ebenfalls ausgesprochen selten. Und welches heterosexuelle Publikum würde sich dazu hinreißen lassen, voller Begeisterung zu singen: „I don’t wanna make a choice, I like girls and I like boys“?

Als die Kanadierin Merrill Nisker alias Peaches ihre Heimatstadt Toronto vor drei Jahren verließ, um in Berlin „The Teaches Of Peaches“ zu veröffentlichen, war sie schnell Gesprächsthema Nummer eins im Selbstdarsteller- und Künstler-Zoo der Stadt. Peaches‘ minimalistisch rockende Elektromusik basierte auf einem einzigen Instrument der MC 505 Groovebox. Auch die Texte scherten sich nicht um feinsinnige Zwischentöne: Was mit „Diddle My Skittle“, „Lovertits“ und „Fuck The Pain Away“ gemeint ist, errät man auch ohne große Englischkenntnisse.

Doch wenn man dem vermeintlichen Rock’n’Roll-Animal gegenübersitzt, sieht man zunächst nur die aparte Merrill: Eine fast zierliche 36-jährige Frau, mit strahlend blauen Augen, in einem grauen Kleid, die sich trotzdem sofort zu ihrem Alter Ego bekennt: „Es ist nicht so, dass ich normalerweise wahnsinnig nett bin, um dann auf der Bühne zum Monster zu werden. Peaches ist ein Teil von mir, allerdings ein verstärkter Teil.“ Hundertmal hat sie diese Frage vermudich schon beantwortet, charmant, ausführlich, ungenervt Denn mit dem gerade erschienenen Album „Fatherfucker“ ist die Kanadierin endgültig und weltweit zum Star geworden. In der Klatschpresse liest man, sie habe eine Zusammenarbeit mit Britney Spears angelehnt, sei aber auf dem nächsten Album von Pink dabei Selbst die Feuilletons erklären sie zur postfeministischen Ikone eines neuen elektronischen Rock’n’Roll. Karl Lagerfeld hat das schon letztes Jahr gesteckt bekommen und die Kanadierin zusammen mit Bands wie Matmos und Chicks On Speed für ein Modemagazin abgelichtet: „Das war so cheesy“, stöhnt Peaches im Nachhinein. „Er hat von jedem Künstler, den er gerade fotografiert hat, das entsprechende Album gespielt damit das Gefühl da ist. Ich habe mich verhalten wie ein toter Hund, Lagerfeld hat sein Bild gemacht und nach vier Minuten war alles vorbei.“

Wenn aber die Rede jenen den Mann kommt, mit dem sie den Song „Kick It“ gemacht hat, leuchten die Augen wie bei einem verliebten Teenager: Ja, ich singe ein Duett mit Iggy Pop. Aber es geht nicht um Sex, es ist nicht: Hey, fuck me, Iggy Pop! Es ist eher ein Fan-Lied.“ Aber was für eins: Leidenschaftlich werfen die beiden sich Zeilen aus ihren besten Songs an den Kopf. Dazu hämmern die Beats, klingelt das Tamburin, quengelt eine einsame Gitarre – das genügt.

Kennengelernt haben sich die beiden in LA., bei einem Konzert der Neptunes: „Ich war backstage und habe mich über die vielen Fotos von halbnackten Mädchen aufgeregt Also hab ich ihnen Bärte und Haare angemalt.“ Bevor man sie hinauskomplimentierte, durfte die Sängerin dem Überraschungsgast die Hand schütteln: Iggy Pop. Das Traumpaar fand sich sofort sympathisch. Auf „Skull Ring“, Iggys neuem Album, gibt es deshalb zwei weitere furiose Kollaborationen. Der Grund für die Wertschätzung, die auch andere Rocker dem Elektrogirl entgegenbringen, ist klar -Peaches gehört zu den wenigen Künstlern, die Risiken eingehen. Sie fühlt sich wohl zwischen den Stühlen HipHop, Rock und Elektro und verwirrt mit einer Strategie, die sie „ultra postfeministisch“ nennt Zum Beispiel das böse Wort motherfucker. „Eine Feministin würde sagen: Don’l use motherfucker‘! Ich aber sage: Fatherfucker! Die Leute sollen das entweder kapieren oder nicht Wer mich Feministin oder Macho-Arschloch nennen will, soll das ruhig tun – das ist alles in Ordnung“.

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