Phil Spector: Die Märchenvilla

Ein Hausbesuch bei Rachelle, der Gattin von Phil Spector, die von seiner Unschuld überzeugt ist: Das Opfer habe tatsächlich Selbstmord begangen.

Alhambra ist nicht schön. Ein kaputter Vorort. Eine Ansammlung von heruntergekommenen chinesischen Reinigungen, Parkplätzen und einem Drugstore, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Hier, kurz hinter Downtown Los Angeles, hatte sich Phil Spector einst das „Pyrnée Castle“ gekauft. Das Spector-Anwesen, ein dezent übertriebenes Disney-Schloss, bei dessen Anblick man die Papp-Wände schon in den Händen spürt, liegt nicht in der Nachbarschaft der Arrivierten. Man hat eher den Eindruck, es könnten gleich ein paar Affen oder Zebras vorbeikommen.

„Helllloooooooo!“ ruft Rachelle Spector, oder „Chelle“, wie Phil sie nennt, und reißt die Tür auf. Man solle doch bitte reinkommen. Die ersten drei bis vier Meter in Spectors Haus kosten ein wenig Überwindung. Hier, genau hier am Eingang, lag einmal Lana Clarksons Leiche. Nur die Zähne waren woanders. Sie flogen 15 Meter weiter weg, Richtung Wohnzimmer. Denn Lana, so formulierte es Phil Spector, hatte „die Pistole geküsst“. Und das, seiner Ansicht nach, freiwillig- wobei dem freien Willen der Konsum von zwei Flaschen Tequila und zwölf Tabletten des Beruhigungsmittels Vicodins vorausgegangen waren.

Für diese Version der Geschichte kämpft Rachelle Spector. Nicht wie eine Löwin. Auch nicht mit Mitleid oder Tränen. Rachelle benutzt die Cheerleader-Methode: irreparable gute Laune, ein schockobrauner Joggingsanzug der Firma „Juicy Couture“, getragen von einem sehr gut trainierten 29-jährigen Körper. Sie ist wie für einen Auftritt geschminkt. Kurz vor Spectors Verurteilung zeigte sie sich auf einer MySpace-Seite mit einem „Team Spector“-T-Shirt und einem „Spector for President“-T-Shirt. Und einem, auf dem stand, der „böse Richter soll sterben“.

Wir sitzen am braunen Esstisch. Um uns herum ein paar Ritterrüstungen, dunkle Sessel. Ein Telefon klingelt. Rachelle geht nicht ran. Sie schaut nicht mal hin- auch wenn sie eigentlich den Anruf des Gatten erwartet.
„Spukt es vielleicht in Ihrem Haus?“
„Warum sollte es?“ Rachelles Augen sehen fragend aus.
„Anders gefragt: Finden Sie es nicht etwas gruselig, hier zu leben?“
„Überhaupt nicht! Das Haus ist ja groß. Ja, wir haben hier zusammen gelebt. Ich habe Phil extra eine große Dusche einbauen lassen, er liebte das. Zu wissen, dass er in diesem schrecklichen Gefängnis sitzt für eine Sache, die er nicht getan hat, ist hart.“

Die letzen News hörten sich nicht aufbauend an. Rachelle musste Phil Essen bringen; er hatte Angst, in den Speisesaal zu gehen. „Hier killen sie dich für eine Tütensuppe.“ Vor Monaten meldete sich Mit-Insasse Charles Manson bei Spector. Der hatte immer auf eine Musikkarriere gehofft und wollte mal nachhorchen, ob Spector mit ihm eine Platte aufnehmen würde. Ein Gefängniswärter habe die Nachricht in Spectors Zelle gelegt- das sei ja wohl eine Unverschämtheit, so Rachelle. Doch das sei nichts gegen „diese Frau“. Ein Callgirl sei sie gewesen, diese Lana, ihre Spezialität sei es gewesen, glänzende Pistolen in den Mund zu nehmen, sie sei schon 40 gewesen, stadtbekannt für ihre Trinkgelage, und in einer E-Mail habe sie zugegeben, sie wolle im Haus einer berühmten Person Selbstmord begehen.

„Wird Phil heute anrufen?“
„Ohhhh, ich wünschte, er hätte ein Mobiltelefon…“
Im Badezimmer liegt ein kleines weißes Handtuch, auf dem steht „Welcome to the White House“.
Das Telefon klingelte doch nicht mehr. Phil hatte wohl kein Kleingeld.

Anne Philippi

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