Platten, die wir lieben: „God Save The Queen“ von den Sex Pistols

Jeder hat unter seinen vielen Platten die eine, die ihm besonders viel bedeutet. Zur Plattenladenwoche erzählen Rolling Stone-Autoren ihre Vinyl-Liebesgeschichten. Heute berichtet unser Chefredakteur Sebastian Zabel.

Heute beginnt die Plattenladenwoche, die bis zum 20. Oktober in ganz Deutschland stattfinden wird und die, wie schon im letzten Jahr, von unserem Magazin präsentiert wird. Anlässlich der Events gibt es auch heute wieder einen Artikel, um sich der Stimmung hinzugeben. Alle Infos über Termine, Sonderveröffentlichungen und über die teilnehmenden Läden findet man unter www.plattenladenwoche.de.

Im Sommer 1977 hatten die Sex Pistols die besten Monate ihrer kurzen Karriere. Zwei große Plattenfirmen hatten sie unter Vertrag genommen und panisch wieder fallen lassen, als klar war, dass die vier ungehobelten Jungs mit den Stachelkopffrisuren nicht bloß auf der Bühne und vor Fernsehkameras Punkrock machten, sondern auch in Vorzimmern und Vorstandsetagen. Der Großteil ihrer 20.000 frisch aus dem Presswerk angelieferten Exemplare der zweiten Single „God Save The Queen“ war von A&M eingestampft worden, als Virgins Richard Branson zugriff und die 7inch pünktlich zum Silberjubiläum der britischen Königin (neu) veröffentlichte. Ein kalkulierter Skandal, der Virgin Records sanierte, die Sex Pistols weltberühmt und Punkrock zum Medienthema Nummer 1 machte.

Im Sommer 1977 war ich ein neunmalkluger 13-Jähriger. Ich trug schulterlange Haare und eine schwarze Weste über dem heraushängenden Flanellhemd. Und ich war in London. Zu Besuch bei Gasteltern, inklusive dem zwei Jahre älteren Sohn Simon. Ich hatte ihm „Wind And Wuthering“  von Genesis mitgebracht, was er mit einem höflichen Nicken quittierte. Er zeigte mir etwas anderes: Fotos von Punkrock-Bands, die er aus dem NME ausgeschnitten hatte. Am Ende der Ferien kaufte ich mir „God Save The Queen“; es war wohl eher ein schrilles Souvenir, als dass mich die Musik sofort gepackt hätte.

Das kam mit Verzögerung. Aber dann mit voller Wucht. Punkrock war der laute, rebellische Gegenentwurf nicht nur zu der Musik, die man in meinem Heimatort hörte,  sondern zu dem Leben in meinem Heimatort an sich – jedenfalls wenn man ein lauter, rebellischer Pubertierender war. Das Cover der Single klebte an der Wand in meinem Zimmer, die Lederjacke bekritzelte ich mit weißem Edding und die Haare schnitt ich ab. Ich habe in den 35 Jahren danach noch viel Musik gehört und entdeckt. Die Single aus London ist mir die wertvollste, auch wenn sie bloß ein paar Euro wert ist. Sie war der Anfang.

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