Pop, Sex, Zen & Magie

Der Niederländer Roel Bentz van den Berg beschwört erneut magische Momente der Popkultur

Der niederländische Popschreiber Roel Bentz van den Berg hat sich bereits 1999 in einem wundervollen Bändchen mit dem Lieblingsinstrument aller Musik journalisten beschäftigt: der Luftgitarre. Dort findet sich der großartige Satz: „Ich habe nie Ambitionen gehabt, Musik zu machen. Was ich wollte, war: Musik sein.“‚ Das klappt auch in der zweiten Textsammlung „Die unsichtbare Faust“ wieder vorzüglich.

In der Titeigeschichte geht es um Sex – das passt natürlich wie die besagte Faust aufs Auge. Denn er – sofern der Autor dieser Rezension

richtig informiert ist – geht es hier nicht um den schnöden Akt an sich, sondern um eine besondere Intimität zwischen den Partnern – „Magie“ (eines der Wörter, die man benutzt, wenn einem selbige ausgehen). Eine solche besteht natürlich auch zwischen Pop und Fan. So sollte es – in beiden Fällen – zumindest sein. Daher auch der treffliche Untertitel „Magische Momente der Popkultur“. Wie sein Landsmann Janwillem van de Wetering ist auch Bentz van den Berg Zen-geschult, was zweifelsohne hilft, wenn man über solche Momente schreibt, die sich ja sinnhaft kaum erfassen lassen. Manche zunächst gewöhnlich erscheinende Begebenheit erhält erst durch die Beschreibung ihre Magie.

Jemand, der ebenfalls profane Fragen in Geheimnisse verwandeln kann, ist Greil Marcus. Sicherlich ein Vorbild für Bentz van den Berg, und so versucht auch er sich manchmal an dem, was man allgemein wohl als „amerikanischen Traum“ bezeichnet Doch während Marcus, selbst Amerikaner, einen Schritt zurücktreten muss, um diesen Traum – die amerikanische Kultur an sich – fassen und anschließend die Popkultur in diesem Kontext sezieren zu können, muss er als Nicht-Amerikaner ganz nah ran gehen. Manchmal ist er zu nah dran und verliert die bei Marcus so wichtigen Aspekte der Gemeinschaft, des kollektiven Erinnerns und der gemeinsamen Fortschreibung der Geschichte durch Künstler und Fan fast völlig aus den Augen. Der „amerikanische Traum“ ist für ihn dann ein rein individualistisches Verlangen nach Selbstverwirklichung und Authentizität.

Besonders im ersten Drittel des Buches springen einen Ursprünglichkeiten, Archetypen und „authentische“ Formen des Populären dermaßen an, dassman an den „Schlafhaubenphilosophen“ (Thomas Bernhard) Martin Heidegger denken muss. So ist es nicht verwunderlich, dass Bentz van den Berg Springsteen, Presley und Keitel als Prototypen des Amerikanisch-Seins den spielerisch-maskierten Künstlern De Niro und Dylan vorzieht. Bei denen schafft er leider nicht mehr als bessere Fanschreibe.

Doch diese missglückten Texte sind in der Minderheit. Immer, wenn es ihm gelingt, die magischen Momente der Popkultur durch eigene Erfahrungen zu erden, sie quasi bewohnbar zu machen, wird es richtig gut. Es ist eine wahre Freude, zu lesen, wie er im Alltäglich-Kleinen beginnt, die Assoziationsmaschine anwirft und im großen Pop landet. So ist besonders der Text „Die Über-Tat“, der vom Altern, von Kerouac und Presley handelt, eine ebensolche und einer der schönsten und treffendsten Texte, die über „On The Road“ geschrieben wurden. Wundervoll, wie er in „Der Shuffle zwischen Sein und Nichtsein“ über den großen Muhammad Ali Körper und Geist vereint und in „Grün 14“ die Musik des transzendentalen Zufalls pfeift. Auch Phänomene wie die Teletubbies, zunehmende Gewalt im Alltag sowie fade-outs von Songs, Filmen und Leben entgehen van den Berg nicht.

In Zeiten, in denen Popstars als Marketingmaßnahme vor der Kamera kreiert werden, gibt einem dieses Buch den Glauben an die Magie der Popkultur. Wiederverzaubernd.

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