Protest mit Pferdefuß

Slut fantasieren davon, alle Musiker zu töten, um Ruhe zu schaffen. Ist aber nicht so gemeint.

Wenn eine Rockband demonstrativ nach Stille verlangt, ist das häufig der Anfang vom Ende. Die Annahme, mit“All We Need ls Silence“ stünden bei Slut die Zeichen auf Abschied, ist allerdings nicht ganz richtig, obwohl die Platte gut hörbar einen Schlusspunkt markiert: Nie zuvor gab es bei den Ingolstädtern so viele Parallelen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Alben. „Der Unterschied besteht darin, dass das, was auf dem letzten Album nur angedeutet wurde, jetzt sehr extrem geworden ist. Die Musik ist noch ausgedünnter, noch direkter“, sagt Drummer Matthias Neuburger.

Wir erinnern uns: Nachdem die früheren Fanzine-Helden mit einigen geigenwattierten Pop-Songs sogar in den Soundtrack zum Internats-Tränenfilm „Crazy“ gekommen waren, kehrten sie auf „Nothing Will Go Wrong“ (2002) mit beinahe theatralischer Geste zum eher spontanen Proberaum-Rock zurück.

Die nun weitergetriebende musikalische Reduktion geht bei Slut auch mit einer textlichen Radikalisierung einher. „In Wahrheit waren Teile des ‚Lookbook‘-Albums viel hoffnungsloser. Dagegen hat die Wut, die in den meisten neuen Liedern mitschwingt, etwas Konstruktives und Produktives“, glaubt Sänger Chris Neuburger. Die knalligsten Zitate: „Let’s make war instead of love“ („The Beginning“), „If I had the decision I would kill all musicians/ we need to set the record straight“ („All We Need Is Silence“).

So prägnant und streitbar einige Kernsätze der Texte auch sein mögen (die Slut nicht als Anklage und Kampfesrede missverstanden wissen wollen) – an einer Entmystifizierung ist der Band selbst nicht gelegen, denn „sonst wackelt die Statik“, gibt Chris zu. Allein die Tatsache, dass die Band nicht implodieren will, bedeutet: Der Ruf nach Stille ist kein Ende, sondern ein Neuanfang.

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