Punk im Museum

Der norwegische Künstler und Schriftsteller Matias Faldbakken zelebriert in Kassel die Kunst der Negation und leeren Gesten.

Als ich gestern Abend das Gebäude verließ, erinnerte das hier an eine klassisch gehängte Ausstellung“, sagt Rein Wolfs, der künstlerische Leiter der Kunsthalle Fridericianum in Kassel. Doch am nächsten Morgen sieht alles ganz anders aus. Ein Feuerlöscher liegt in der Mitte des Raumes, die Bilder – gerahmte, mit rätselhaften tags versehene Müllsäcke – sind teilweise von der Wand gerissen, Boden und Wände mit weißem Schaum bedeckt, der zudem neblig-toxisch durch die Luft wabert.

Eine Rock’n’Roll-Geste, könnte man sagen. Aber eingesperrt im Museum. Der subversiven Kraft beraubt. „That Death Of Which One Does Not Die“ heißt diese Ausstellung des norwegischen Künstlers Matias Faldbakken (bei der Feuerlöscher-Aktion half ihm der Künstlerfreund Anders Nordby), die noch bis zum 14. November in Kassel zu sehen ist.

Der Vandalismus und die ins Leere laufenden Gesten sind charakteristisch für das Werk des 37-Jährigen. Er arbeitet auf einer Traditionslinie, die Greil Marcus vor gut 20 Jahren in „Lipstick Traces“ gezeichnet hat: von den mittelalterlichen Ketzern über die Dadaisten, die Situationisten bis zum Punk. Hierzulande wurde er vor allem als Autor der Romane „The Cocka Hola Company“, „Macht und Rebel“ und „Unfun“ bekannt. Diese mit Sex und Gewalt gespickte Roman-Trilogie, die er „skandinavische Misanthropie“ getauft hat, lässt selbst die Texte von Michel Houellebecq brav und menschenfreundlich erscheinen.

Doch es geht Faldbakken in seiner Kunst nicht darum, einen Skandal anzuzetteln, vielmehr stellt er die allzu offensichtlichen Überschreitungen von political correctness und gutem Geschmack aus, um zu zeigen, dass subkulturelle Praktiken wie Rebellion und Provokation selbst Teil des Systems sind, gegen das sie sich auflehnen. „Meine Kunst fragt nach den Möglichkeiten die bleiben, eine Anti-Haltung oder Outsider-Position einzunehmen“, so Faldbakken. Es geht ihm also um eine kritische Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Kunstproduktion in kulturindustriellen Zusammenhängen.

„Manche Kritiker bezeichnen meine Romane als Konzeptkunst“, so Faldbakken, „aber ich möchte Literatur und bildende Kunst schon trennen. Auch wenn es viele Berührungspunkte gibt.Als ich mein Kunststudium beendet hatte, hab ich erstmals alle meine Werke weggegeben und nach einer neuen narrativen Form für meine Kunst gesucht“, erklärt er. „So kam ich dann zu den Romanen. Und heute bin ich als Autor ziemlich bekannt, als bildender Künstler aber eher eine kleine Nummer.“ Die meisten seiner Leser wüssten nicht einmal von seinen künstlerischen Tätigkeiten, sagt er. Was ihm aber ganz recht ist. „Ich finde es gut, dass das Kunstsystem elitär ist. Während ich beim Schreiben meiner Bücher immer an meine Leser denke, denke ich bei meinen Kunstwerken nie daran, wie sie ankommen werden. Es sind die gleichen Ideen – aber abstrakter präsentiert. Vielleicht auch (er lacht) langweiliger.“ Für sich genommen trifft das auf die Kasseler Ausstellung tatsächtlich zu. Im Dialog mit den im Fridericianum zeitgleich gezeigten Werken der italienischen Künstlerin Monica Bonvicini, die den virilen Vandalismus mit ihrem betont weiblichen Blick spiegeln, sind Faldbakkens Arbeiten aber fast so unterhaltsam wie ein Roman. maik brüggemeyer

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