Randy Newman

In den nun 35 langen Jahren seiner Karriere als Songschreiber hat Randy Newman gern und häufig über seinen Beruf gejammert. Zunächst, weil er die Hits nur für andere schrieb (Three Dog Night, Alan Price, Joe Cocker). Dann hatte er schon mal einen Hit („Short People“), der ihm aber jede Menge Ärger mit Minderheiten eintrug. Schließlich hemmten ihn zeitweilig kreative Blockaden, weitere Songgeschichten über Verlierer und andere Emotionskrüppel in gewohnter Bissigkeit zu produzieren. Zwölf lange Jahre kein Newman-Album, dafür aber jede Menge Filmmusik („Toy Story“ „Schweinchen Babe“) und ein Musical („Faust“). Im vergangenen Jahr überraschte der 56-jährige Kalifornier mit dem Werk „Bad Love“, in diesem Jahr folgen gar Konzerte. Als singender Songschreiber bleibt Newman in meisterlicher Form: Er ist der William Faulkner, der Balzac unserer Zeit Gibt’s heute für den weisen, älteren Künstler Newman noch einen Grund zu jammern?

Eigentlich wirklich nicht mehr, obwohl die meisten Menschen ja sicher immer noch denken, Musik zu machen sei wie Zähneputzen. Es ist schwierig und langwierig, und ich habe alles so gemeint, wie ich es gesagt habe. Vermutlich bin ich inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass ich für einen relativ kleinen Aufwand beachtlich viel Geld verdiene. Andere Leute haben da ganz andere Jobs. Es ist tatsächlich schrecklich, andauernd zu mäkeln, man mag sich dann selbst nicht. Manchmal habe ich mich aufgeführt wie ein Erstklässler, der ein kleines Bild gemalt hat: „Oh, nein, das ist nix geworden.“ Und dann muss jemand sofort sagen: „Aber nein, mein Söhnchen, das ist doch toll, wirklich toll (lacht).“

Also stimmt es, dass man mit zunehmendem Alter sich selbst gegenüber großzügiger wird?

Ja, das ist aber nicht so einfach. Vielleicht hängt das ja mit jenem uralten Aberglauben zusammen, dass dein Talent verschwindet, wenn jemand es zu sehr lobt Der Künstler soll schließlich leiden.

Haben Sie so sehr gelitten, dass es Ihnen in den vergangenen 12 Jahren schwer fiel, eigene Songs zu schreiben und Sie folglich dann fast ausschließlich Filmmusik komponierten?

Die Arbeit mit der Filmmusik hat mir tatsächlich über ein paar Schwierigkeiten hinweggeholfen. Filmmusik ist fast immer anonym. Sie dient dem Film und wird meist von niemandem bemerkt. Das ist äußerst heilsam fürs Künstlerego. Außerdem erweitert diese Arbeit das musikalische und harmonische Spektrum. Der Rock’n’Roll hat bis jetzt in dieser Hinsicht den Anschluss an Mahler und Brahms leider noch nicht gefunden. Ich weiß heute auch nicht mehr genau, wie wichtig die Musik eigentlich für die Menschheit ist Andererseits: Wenn ein Film komisch ist, dann ist er auch komisch. Und die Musik!?

Musik ist gut oder schlecht, so wie Gefühle gut oder schlecht sind. Aber immerhin: Es bleiben die Gefühle, finden Sie nicht?

Musik soll ganz sicher Gefühle hervorrufen. Das gilt besonders für Filmmusik. Soundtracks komponieren ist eine funktionelle Kunst Ich habe meine Schreibprobleme mit dieser funktionellen Arbeit lösen können. Songschreiben ist völlig anders. Keines von beiden hat einen höheren Stellenwert für mich, aber Songs kommen manchmal einfach hereingeschneit Zack, da sind sie. Wie’s passiert, weiß ich nicht Ich weiß nur, dass man diesen Moment keinesfalls verpassen darf, sonst sind sie wieder weg. Unwiederbringlich. Songschreiben ist einfach ein Talent, so wie mit den Ohren wackeln.

Dann stimmt also diese fast religiöse Ansicht, dass ein Musiker wie ein Gefäß ist, das in wundersamer Weise vom Odem einer himmlischer Macht durchströmt wird?

Ha! Musik als Himmelsmacht! Also, ich glaube nicht unbedingt, dass Musik vom Himmel fällt. Vielleicht liegt sie ja hier unter der Tischdecke oder unter meinem Stuhl, und ich bin das atmosphärische Vehikel (lacht). Mal im Ernst: Songschreiben und das Fertigstellen von eigenen Alben, das ist tatsächlich für mich etwas ganz Besonderes. Filmmusik könnte ich aufgeben, Songschreiben nie. Wenn die Arbeit an dem neuen Album allerdings auch nur andeutungsweise schlechter ausgefallen wäre, dann hätte ich das Songschreiben aufgegeben.

Sie benutzen in Ihren Songs immer sehr außergewöhnliche Charaktere, die ihre Schicksalsanekdoten von sich geben. Verstecken Sie sich manchmal hinter diesen Figuren?

Das kann schon sein. Vielleicht mache ich das aus purer Schüchternheit Außerdem liegt darin mein literarisches Interesse. Fiktive Figuren sind einfach interessanter. Außerdem meine ich, dass im weitesten Sinne auch etwas Tröstliches darin liegt, zu glauben, man sei womöglich ein besserer Mensch als die Leute in meinen Songs. In letzter Zeit bin ich allerdings etwas persönlicher geworden. Ich war es einfach restlos leid, immer nur in meiner Ecke zu granteln. Außerdem – wer weiß, vielleicht liegt ja noch was Vieldeutiges in so etwas Schlichtem wie „I Miss You“. Man sollte es machen wie die Buddhisten: ganz einfach gar nichts mehr wollen.

Dennoch bleibt da dieser kleine bescheidene Wunsch, so wie in Ihrem Song: „I Want Everyone To Like Me“. Wollen Sie tatsächlich von allen gemocht werden?

Aber natürlich! Die meisten Leute wollen ja von allen gemocht werden. Manchmal glaube ich sogar, dass ich fast alles in meinem Leben nur getan habe, damit mich möglichst viele Leute gern haben. Vielleicht habe ich das nicht immer ganz richtig ausdrücken können (lacht). An das Gute im Menschen habe ich solange geglaubt wie an den Weihnachtsmann. Ich weiß die Welt ist nicht fair. Und letztlich heißt die Energie hinter jedem Song nur Liebe & Sex. Aber ich will einfach nur, dass man mich mag.

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