~ Rare Trax ~

Songs für die tiefsten Stunden der Nacht, von Robert Wyatt, Isobel Campbell & Mark Lanegan, Hope Sandoval, Bohren & der Club of Gore und anderen.

Die 71. Ausgabe der „Rare Trax“ widmet sich ausnahmsweise nicht einem bestimmten Genre, sondern einem Soundtrack für die Zeit nach Mitternacht. Nicht die Sorte Musik, die in Afterhour-Clubs gespielt wird. Kein Chill-out- oder Lounge-Gebimmel, sondern puristische, oft unverstärkte Songs zwischen existenzialistischem Jazz und extravagantem Folk. Musik für einsame Autofahrten durch dunkle Städte und Landschaften. Ein Hauch Melancholie ist sicher dabei, aber hey, wir sind alt genug, um uns an der Bar einen Drink zu kaufen.

01 Die Stimme von Hope Sandoval klingt kindlich, lasziv und bisweilen ein bisschen unheimlich. Hier singt sie „Fall Aside“, ein atemberaubend schönes Schlaflied für Erwachsene, das die ehemalige Sängerin von Mazzy Star zusammen mit Colm Ó Cíosóig geschrieben hat. Der Ex-Schlagzeuger von My Bloody Valentine ist als The Warm Inventions die „Band“ hinter dieser unnahbaren Schönen. „Close your eyes ‚till the very next day/ Sun still rose even if you’re still“ haucht Sandoval. An Schlaf mag man da nicht denken!

02 Nein, es sind nicht Nancy & Lee und auch nicht Nick & Kylie, die sich hier so grandios ansingen. Isobel Campell & Mark Lanegan zelebrieren in „The False Husband“ eine ebenso klassische wie betörende Mischung aus Western-Atmosphäre und Film-Noir-Romantik. Der Brummel-Bass des Gutter Twin und die hohe Mädchenstimme der Ex-Belle-&-Sebastian-Sängerin ergänzen sich dabei perfekt. Dem Album „Ballad Of The Broken Seas“, aus dem der Song stammt, folgten aus gutem Grund zwei weitere.

03 „Prowler“ von Bohren & der Club of Gore ist wie der Blick aus einem dunklen Hochhaus auf die schlafende Stadt: Nur wenige Lichter brennen noch, kaum ein Auto durchdringt mit den Lichtkegeln seiner Scheinwerfer die Dunkelheit. Die Band atmet dazu einen tonnenschweren, weltmüden Jazz, desillusioniert und melancholisch zugleich. Wer sich da keinen Whiskey einschenkt, wird Gründe haben. „Sunset Mission“ heißt das dazugehörige Album, der Titel ist Programm.

04 „Free Will And Testament“ war ursprünglich ein Gastbeitrag von Robert Wyatt zu einem gemeinsamen Album von Soft-Machine-Bassist Hugh Hopper und Bongwater-Boss Mark Kramer. Zwei Jahre später nahm Wyatt den Song für „Shleep“ noch einmal auf. Paul Weller spielt dazu eine wehmütige Gitarre und singt leise im Hintergrund. Der philosophisch poetische Text sinniert geradezu selbstquälerisch über den freien Willen: „Had I been free, I could have chosen not to be me/ Demented forces push me madly round a treadmill“. Bleischwere Gedanken in Nächten, in denen Sekunden zu Stunden werden.

05 Hinter dem Namen Songs of GREEN PHEASANT versteckt sich der britische Musiker Duncan Sumpner. Wie bei vielen Künstlern des Labels Fat Cat, verschwimmen auch in seinen Songs die Grenzen zwischen Folk, Electronica und Post-Rock. „Fires P.G.R.“ klingt wie ein Glasperlenspiel, wie eine Himmelsleiter, wie eine Wolke aus Kristall, also ätherisch und schwerelos.

06 Die isländische Songwriterin Ólöf Arnalds wurde im letzten Jahr für ihr zweites Album zu Recht gefeiert. Von „Innundir Skinni“ stammt auch das märchenhafte „Svíf Birki“ mit seinem glockenhellen Elfengesang. Während sich das Vorgänger-Album „Við Og Við“ auf Arnalds gezupfte Gitarre und die außergewöhnliche Stimme konzentrierte, ertönt nun ein kleines, sehr dezent eingesetztes Folk-Orchester. Vor ihrer Solokarriere spielte Ólöf Arnalds in der Band Múm.

07 Texte von Alasdair Roberts sind oft mittelalterlich gestelzt und alles andere als zugänglich x{2212} doch stets von berührender Schönheit. „Waxwing“ stammt von „The Amber Gatherers“, dem „poppigsten“ Album im Oeuvre des Schotten. Das Sammeln von „Amber“ taucht auch im Song auf und spielt mit den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes: Bernstein und Johanniskraut. Letzteres ein homöopathisches Antidepressivum, das Roberts oft in Apotheken „sammelt“, wie er bei einem Konzert erzählte.

08 Robyn-Fans kennen das schwedische Volkslied „Jag Vet En Dejlig Rosa“ vom Album „Body Talk Pt.1“. Doch bereits zwei Jahre zuvor haben Helena Espvall und Masaki Batoh eine deutlich kraftvollere Version des Stücks aufgenommen. Die Cellistin und Sängerin der Band Espers und der Kopf der Experimental-Rocker Ghost setzen auf einen gedoppelten A-capella-Gesang und eine minimalistisch atmosphärische Begleitung. Traumhaft.

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