~ Rare Trax ~

Anlässlich der Renaissance von Shoegazer und Dream Pop rekapituliert der ROLLING STONE auf den August-„Rare Trax“ einen Teil der Genese jener Genres.

Shoegazer ist ein tolles Wort. Man sieht sie sofort vor sich, die dünnen Boys und blassen Girls: Wie sie sich auf der Bühne an ihren Instrumenten festhalten und schüchtern auf die Schuhspitzen starren. Dabei ist ihre Musik doch so erhebend und trans-zendent wie ein Gebet an den lieben Gott des Sounds. Mitte der Achtziger begründeten Bands wie My Bloody Valentine und Slowdive das Genre, in dem aufwühlender klangfarbenreicher Lärm mindestens so viel zählen wie hinreißend liebliche Melodien. Dream Pop ist so etwas wie der ältere, traditionsverbundene Bruder des Shoegaze. Die Hingabe an Song und Sound ist beiden gemein.

01 Galaxie 500 war ein PKW, den Ford Mitte der 60er-Jahre in Chicago baute. Ein Freund von Dean Wareham, Damon Krukowski und Naomi Yang fuhr so einen Wagen, als sich das Trio 1987 in Harvard zusammenfand. „Blue Thunder“ stammt von dem 1989 veröffentlichten zweiten Album „On Fire“. Die Sehnsucht des Indie-Pop und der Nachhall von Psychedelic Rock und Velvet Underground bündeln sich hier zu einem hochemphatischen Song.

02 Man sollte es gleich dazusagen: Die New Yorker Band The Pains Of Being Pure At Heart wurde erst 2007 geründet – und nicht 20 Jahre vorher. Doch wer den britischen Shoegaze der 80er-Jahre liebt, kommt an dem Quartett nicht vorbei. Jeder Song des Debüts von 2009 ist eine entschiedene Weigerung, jemals erwachsen zu werden. Vor allem „Stay Alive“ klingt so frisch und unschuldig wie im Sommerregen spielende Kinder.

03 „Strawberries“, ein Stück der ebenfalls aus New York stammenden Band Asobi Seksu, zeigt erst im Remix des deutschen Elektronikers Ulrich Schnauss seine ganze schwerelose Schönheit: Alles scheint himmelwärts zu streben, es rauscht und braust und die Stimme von Yuki Chikudate hat etwas von einem Engel. Auf dem Remix-Album „Missing Deadlines“ von Schnauss gibt es mehrere solcher Momente.

04 Man kann dieses Stück unmöglich leise hören! Diese Kraft, dieses Aufgehen im Inferno des Sounds … „Just Out Of Reach“ von A Place To Bury Strangers steht dem Original von The Jesus And Mary Chain in nichts nach. Sänger und Gitarrist Oliver Ackermann, der Kopf der US-Band, ist der Besitzer einer kleinen Firma für Effektpedale. Man hört das.

05 Sehr exotisch, sehr raffiniert, sehr feminin das Trio School Of Seven Bells besteht aus den Zwillingen Alejandra und Claudia Deheza sowie Benjamin Curtis, dem Ex-Gitarristen der Secret Machines. „Iamundernodisguise“ stammt vom Debüt „Alpinisms“ und klingt wie eine jede Zuschreibung ablehnende Beschwörung.

06 Hier haben wir eines der schönsten Beispiele der Upstate-New-York-Schule des Dream Pop: „Goddess On A Hiway“ von Mercury Rev. Auf deren stilprägendem Album „Deserter’s Songs“ verbinden sich Americana-Einflüsse mit märchenhaften Klangwelten und vieldeutig rätselhaften Texten. Aus „I got us on a highway, I got us in a car“ wird lautmalerisch „she’s a goddess on a highway, a goddess in a car …“

07 Die ersten Platten der Pastels erschienen ab 1982 auf Labels wie Whaam, Creation und Rough Trade. Später gehörte die Band um Stephen McRobbie zur vom „NME“ ins Leben gerufenen Klasse von „C86“. „Rough Riders“, vom 1997 erschienenen Album „Illumination“, klingt so sehr nach englischem Indie-Pop, dass man sich sofort einen Anorak überstreifen möchte.

08 Für Brian Eno sind Ladytron „the best of English pop music“, unter anderem, weil sie ein großartiges Gespür dafür haben, was um sie herum vorgeht. „Destroy Everything You Touch“ ist der beste Song vom bisher besten Album „Witching Hour“.

09 In „Never Came Close“ steckt nicht nur das Erbgut von My Bloody Valentine, sondern auch eine gehörige Portion Joy Division: So dunkel und melancholisch klingt Shoegaze selten. Dabei kommt das Duo Belong aus der Jazz-Metropole New Orleans. Der Wille zu ausufernd erratischen Klanglandschaften findet sich allerdings auch bei anderen Bands des Labels Kranky.

10 Zum Abschluss ein fragiles und poetisches Kleinod: Meta-Shoegaze von den Isländern Múm, die hier „Machine Gun“ – im Original von Slowdive – so unbeschreiblich zart und unschuldig hauchen, dass man laut seufzen möchte vor Glück. Der Song stammt von der bei Morr erschienenen Slowdive-Hommage „Blue Skied And Clear“.

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