Rare Trax Vol. 76: Kick & Rush – 10 eigenwillige Songs über Fußball

Jetzt mal abgesehen von rappenden Maskottchen und gegrölten Superhits aus der Kurve: Auch im Underground führt der Fußball zu großen Pop-Momenten.

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Rare Trax Vol. 76

01. Es muss ein ungeheuer mitreißendes Spiel gewesen sein, das der italienisch-brasilianische Kommentator und frühere Spitzenspieler José Altafini in „Goal“ bejubelt. Seine hyperventilierende Stakkato-Stimme steht am Anfang unserer Rare-Trax-Reise. Der Londoner DJ Jonathan Saul Kane hat das Stück 1990 unter dem Alias Depth Charge produziert. Heute gilt es als Klassiker des instrumentalen HipHop.  

02. Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen sind die offiziellen Nachfolger der leider aufgelösten Hamburger Band Superpunk. Sänger Carsten Friedrichs erzählt in „Die Gentlemen-Spieler“ von den demokratisch rebellischen Anfängen der „Fuß-Lümmelei“. Da steckt natürlich wieder eine gute Portion Soul drin, aber auch eine Menge Haltung. Das englische Spiel als Gegenentwurf zu deutschnationaler Körperertüchtigung.

03. Die Schweizer Aeronauten kommen effizient, gradlinig und knochentrocken zur Sache: „Ich tat nur, was ich musste, ich ging hin und schoss das Tor“, heißt es im Text von „Weltmeister“. Ganz nach dem Motto: Geh hin und mach dein Ding. Leider konnte auch diese adrenalin- getriebene Hymne nicht verhindern, dass die Schweiz bei der Qualifikation zur WM 1998 aussteigen musste.

04. Für Huah! – einst Vorreiter der Hamburger Schule – sind Ballsportler eher eine Bedrohung. In den Liner Notes zum Album „Was machen Huah! jetzt?“ schreibt Knarf Rellöm über seinen Song „Geh nicht mit dem Fußballer“: „Die selbstmitleidige Tendenz dieses Textes geht auf die Nerven, die von den Membranes und Gang of Four inspirierte Musik macht es glücklicherweise besser.“

05. „When I get home“, befürchtet Luke Haines „my wive will kill me“. Aus gutem Grund –“Leeds United“ handelt nicht nur vom gleichnamigen Verein, sondern auch vom Lebensgefühl britischer Lads in den Siebzigern: Teddy Boys Disco, der Ford Cortina, ein paar Pints im Pub und Fan-Chöre auf den Tribünen. Wie in den Songs für seine Bands Black Box Recorder und The Auteurs seziert Haines auch hier wieder präzise seine Liebes-/Hass-Beziehung zu England.

06. Pathos gehört zum Fußball wie der Ketchup zur Currywurst. Thees Uhlmann trägt in „Das hier ist Fußball (Naki Edit)“ dick auf – eine schöne Liebeserklärung an den FC St. Pauli. Der Song ist ein Denkmal für den semilegendären Sieg gegen Hansa Rostock 2009, ein Heldenlied auf den Spieler Deniz Naki, der sich damals mit deutlichen Ges-ten gegen rassistische Schmähungen der Rostocker zur Wehr setzte: „Meinetwegen hätte Naki auch eine imaginäre Panzerfaust in die Kurve abfeuern können“, sagt Uhlmann. „Ich hätte das immer noch gut gefunden, denn das hier ist Fußball.“

07. „Alle für eine“ von Erdmöbel ist die neuere Version eines Songs vom Debütalbum: „Wir sind fast alle bekennende Fußballignoranten und Markus Berges hat in dem neuen Text recht anschaulich beschrieben, was passieren würde, befänden wir uns in einer jubelnden Masse. Das Kirmes-Arrangement tut ein Übriges. Fußball ist ein wundersames Spektakel. Manche Menschen können leider nicht dabei sein“, beschreibt Ekki Maas das Verhältnis der Band zum Thema Nr. 1.  

08. Silvana Battisti, die weibliche Hälfte des Darmstädter Duos Woog Riots, ist die Tochter von Flavio Battisti, dem langjährigen Betreuer der DFB-Elf. Wäre es nach der Band gegangen, hätte „Football Round The Clock“ bereits zur WM 2006 für glänzende Stimmung im Bus des Teams gesorgt. Nun wird zur EM ein neuer Versuch gestartet und die Frage gestellt: „Who`s afraid of men in black“?

09. Beseelte Stadionchöre über schweren Dub-Rhythmen – John Peel zählte „Sharp As A Needle“ zu seinen Lieblingssongs: „Wenn ich diese Nummer irgendwo auf der Welt in einem Stadion höre, fange ich hemmungslos an zu weinen.“ Der Titel des Stücks von Barmy Army bezieht sich auf den darin verwendeten Radiokommentar. „Ich glaube, der Moment, in dem Dalglish das Tor gegen Brügge im Finale des Meistercups 1978 geschossen hat, war der schönste Augenblick in meinem Leben“, erinnerte sich Peel.  

10. Louis Philippe gilt seit Mitte der Achtziger als perfektionistisches Pop-Genie. Seine Alben auf él Records sind legendär. Der in London lebende Franzose ist auch Sport-Korrespondent und bekennender Fußballfan. Das zusammen mit den Tschechischen Philharmonikern entstandene „When Georgie Died“ hält er für einen seiner besten Songs. Bereits 1999 stellt er sich darin den Tod der britischen Stürmer-Ikone George Best vor – ein zärtlicher Abschied voller Melancholie.   jürgen ziemer

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