Raretrax DVD – „Guten Abend, liebe Beat-Freunde“: Highlights aus dem „Beat-Lub“

Der "Beat-Club" öffnet sein Archiv: In diesen Tagen erscheinen die kompletten Sendungen 1965 bis 1972 auf DVD. Wir haben 12 Höhepunkte herausgefischt.

Am 25. September 1965 war es soweit: „Guten Tag, liebe Beat-Freunde“, sagte uns ein adretter junger Mann (den wir später als Wilhelm „Tagesschau“ Wieben ins Herz schlössen). „In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für euch gemacht ist. Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat-Musik nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis: Es ist eine Live-Sendung mit jungen Leuten, für junge Leute. Und nun geht’s los.“

Und so ging er denn los, der erste „Beat-Club“ von Radio Bremen, zunächst im zeitgemäßen Schwarz-weiß und 30 Minuten lang, ab 1970 farbig und einstündig, mal mit Go-Go-Girls, mal ohne, immer samstagnachmittags, anfangs mit krawattierten Teenagern, die vor der Bühne ihre Körper brav zum Beat der Beatgruppen bewegten, später in einem psychedelischen Farbrausch, der die Vermutung nahelegte, Regisseur Mike Leckebusch habe seinen Kameramännern in der Kantine merkwürdige Substanzen in den Kaffee gekippt.

Es war zweifellos eine Pioniertat, die an diesem „mutigen kleinen Sender“ (Leckebusch) Realität wurde, eine Pioniertat nicht nur im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, sondern auch angesichts einer bundesrepublikanischen Realität, in der Jugendliche selbstredend zu Hause wohnten (das Wort WG existierte noch nicht einmal), in der die Eltern noch die unangefochtene Kontrolle über die Grundig-Vitrine aus Nussbaum besaßen — und in der die ungeheuerliche Renitenz der 68er Generation Jahrzehnte entfernt zu sein schien.

WDie erste Band, die im „Beat-Club“ auftrat, stammte aus Deutschland – The Yankees (!!) mit „Halbstark“ —, doch schon innerhalb weniger Monate war Bremen auf der Landkarte der durchreisenden Pop-Prominenz eine feste Größe. „Hey Joe“ von JIMI HENDRIX (aus dem „Beat-Club“ Nr. 18 vom 11.3.1967) wurde allerdings nicht live, sondern mit Playback aufgenommen – und führte wenig später zu einem Leserbrief im „Spiegel“: „Ist dieses langmähmge Etwas mit der Banane aus dem Urwald gelockt worden? Man sollte den ,Beat-Club‘ nicht mit dem Zoo verwechseln.“ THE WHO spielten definitiv ß^ä live, wie sich unschwer an der lustvollen Feedback-Orgie am Ende des Auftritts ablesen lässt. „My Generation“ wurde am Tag vor ihrem Auftritt in der Bremer Stadthalle aufgezeichnet — und ebenfalls im „Beat-Club“ Nr. 18 gesendet. Anders als bei der BBC, die sich zunächst weigerte, die Nummer überhaupt auszustrahlen (weil Daltreys künstliches Stottern ein Affront von Menschen mit Sprachfehlern sei), hatte man bei Radio Bremen keine Bedenken. Dave Lee Travis war inzwischen als Moderator mit an Bord. Er kam vom Piratensender „Radio Caroline“, und ebenfalls von dort kamen die sekundenkurzen Jingles, die zwischen die Musikbeiträge geschnitten werden. „Pop Art“ war das Zauberwort der Stunde, die Beatles-Filme von Richard Lester hatten Furore gemacht, und Leckebusch zog alle Register, nutzte auch die Lightshows, wie sie im Amsterdamer „Paradiso“ oder Londoner „Roundhouse“ verwendet wurden, machte Überblendungen und Verfremdungen, soweit es die technischen Möglichkeiten erlaubten. „Strange Brew“, von CREAU per Playback im „Beat-Club“ Nr. 20 präsentiert, gab einen Vorgeschmack auf den ästhetischen Bildersturm, der folgen würde.

Für die KINKS-Single „Waterloo Sunset“ hatte Ray Davies erstmals auf die Hilfe von Produzent Shel Talmy (der auch The Who betreute) verzichtet. Der Erfolg sollte ihm Recht geben: Die Pop-orientierten Singles von 1967 waren auf die vorderen Chart-Plätze abonniert, auch wenn Davies das Format der Hitsingle schon bald als limitierend empfand. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung im „Beat-Club“ am 24. Juni 1967 waren sie gerade, wie Dave Lee Travis kauderwelschend feststellt, „Number funff in England“.

„This Wheel’s On Fire“, von Bob Dylan und Rick Danko geschrieben, war bereits auf „Music From Big Pink“ von The Band erschienen, wurde aber erst durch die Version von JULIE DRISCOLL & BRIAN AUGER popularisiert (und in den 90er Jahren als Titelmelodie der englischen Comedy-Serie „Absolutely Fabulous“ wiederentdeckt). Regisseur Mike Leckebusch hatte inzwischen den „Trickmischer“ für seine vier Kameras lieben gelernt und schwelgte im Beat-Club vom Juni 1968 in elegischen Überblendungen.

f£2 Mit dem „Beat-Club“ Nr. 51 kam endlich Farbe in die Flimmerkiste – auch hier hatte das Technik-freundliche Radio Bremen im ARD-Verbund die Nase vorn. LED ZEPPELIN gehörten zu den ersten Besuchern in Bremen, die von Leckebusch in einem psychedelischen Farbrausch präsentiert wurden. Die Musik zu „Whole Lotta Love“, ausgestrahlt im „Beat-Club“ Nr. 53 vom 28. März 1970, kam allerdings noch immer als Konserve vom Band.

Playback wurde zunehmend unpopulärer. Technisch versierte Gruppen, vor allem wenn sie sich der Jazz-Rock-Fusion verpflichtet fühlten wie GINGER BAKER’S AIR-FORCE, bestanden inzwischen auf einer Live-Aufnahme. Die Cream-Nummer „Sunshine Of Your Love“wurde im Oktober 1970 („Beat-Club“ Nr. 60) ausgestrahlt und featured u.a. den famosen Graham Bond, diesmal nicht an den Keyboards, sondern mit einem Solo am Alt-Saxofon. „Sunshine Of Your Love“ wurde übrigens — auf Auf dem Soundtrack zum Film „Ananas Express“ wurde diese Nummer jüngst wiederentdeckt: MOUNTAIN mit „Don’t Look Around“. Bassist Felix Pappalardi, auch als Cream-Produzent und -Songlieferant („Strange Brew“) bekannt, hatte eigens einen Keyboarder in die Band geholt, um Vergleiche mit Cream im Keim zu ersticken. Mit dem Power-Paket Leslie West an der Gitarre waren die Parallelen zu Eric Clapton allerdings eh beschränkt.

„Don t Look Around“, von der neuen Moderatorin Uschi Nerke eloquent anmoderiert, stammt aus dem „Beat-Club“ Nr. 68 vom 24. Juni 1971.

Und wieder beeindruckt mit ihrem fachlichen Wissen: „Hier sind MC5, kurz für Motorcity 5, die kommen nämlich aus Detroit.“ „Kick Out The Jams“ (auf den ursprünglichen Zusatz „Motherfucker“ hatte man nach Boykott-Drohungen des Handels inzwischen verzichtet) war 1968 der politische Slogan bei den Straßenkämpfen in Detroit gewesen. Vier Jahre später, im „Beat-Club“ vom 25. März 1972, haben die MC5 ihre „Counterculture“-Attitüde geschickt hinter Satin-Jackets versteckt, lassen aber zumindest ihre musikalische Explosivität ungemindert aufblitzen.

Dass die KINKS gleich zweimal in dieser Zusammenstellung auftauchen, mag angesichts der Fülle des „Beat-Club“-Archivs verwundern, allerdings ist die Band von 1972 mit den weitaus poppigeren Kinks von „Waterloo Sunset“ nicht mehr vergleichbar.

Ray Davies hat inzwischen die US-Musiktradition schätzen gelernt, und der Titelsong des Albums „Muswell Hillbillies“, aufgenommen am 27. Mai 1972, ist eine tiefe Verneigung vor der amerikanischen Countrymusik. Rührend, wie Davies am Ende einer längeren Band-Vorstellung verschmitzt murmelt: „And my name is Johnny Cash.“

UAuch die GRATEFUL DEAD klingen 1972 anders, als man sie aus den Heydays von Haight Ashbury in Erinnerung hat. „One More Saturday Night“ stammt von Bob Weirs Solo-Album „Ace“, und der schnörkellose Drive dieser Nummer ist symptomatisch für die Dead, die sich zur Zeit der „Beat-Club“-Aufnahme auf ihrer Europa-Tournee befanden.

CAPTAIN BEEFHEART und seine Magic Band stellen sich am 24. Juni 1972 mit „I’m Gonna Booglarize You, Baby“, einem Track aus ihrem sechsten Album „The Spotlight Kid“, vor. Auch Beefheart klingt zu diesem Zeitpunkt kommerzieller als auf seinen früheren, weitaus avantgardistischeren Alben. Und trotzdem ist diese Musikfarbe für die Mehrzahl der „Beat-Club“-Zuschauer offensichtlich zu befremdlich geworden. Mit seiner 83. Sendung, vier Folgen nach dem Auftritt von Captain Beefheart, schließt der Beat-Club am 9. Dezember 1972 endgültig seine Pforten — und wird wenig später durch den „Musikladen“ ersetzt, der kommerziell erfolgreicher wird, aber weitaus konventionellere Musikkost auftischt.

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