REINHARD STRÖMER über Filz & Fördergelder

REINHARD STRÖMER, Musikreferent im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft & Kultur, über Filz & Fördergelder

Wie ist es möglich, daß sich ein Verein wie der Deutsche Rockmusiker-Verband weiterhin der Unterstützung der Politiker erfreut, obwohl die dort geforderten Musiker praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit spielen?

In Fragen der Rockmusikforderung herrscht Ratlosigkeit bei den Kulturpolitikern, aber auch bei den Künstlern und ihren Verbänden. Um mit den Politikern zu beginnen: Die Politikverdrossenheit der Jugend ist für sie ein Existenzproblem. Bei den nächsten Wahlen werden denkbar knappe Mehrheiten entscheiden, insofern zählt jede Stimme. Jungwähler sind ein besonders beliebter Adressat der Wahlwerbung, da mit ihnen die Innovationskraft der Partei kommuniziert werden kann; um sie buhlt man mit von keiner Sachkenntnis getrübtem Opportunismus.

Nun stehen aber auch bekannte Rockstars hinter dem DRMV.

Wie es zu den Unterschriften kommt, die die Resolutionen zieren, verdient Aufklärung. Ich bezweifle, daß die prominenten Unterzeichner immer genau wissen, was sie da absegnen. Die Rockprominenz läßt sich in dieser Weise vor den Karren des DRMV spannen, weil sie selber orientierungslos ist und ein schlechtes Gewissen hat. Man spürt, daß etwas nicht in Ordnung ist mit der Rolle, die die Musik in unserer Gesellschaft spielt, und hofft, mit einer Solidaritätsadresse den Ruf politischer Korrektheit zurückzugewinnen.

Hat Ole Seelenmeyer denn das Vertrauen der Mitglieder?

Diesen Rückhalt hat er, weil er wie verschroben und vorurteilshaft auch immer – vielen Mitgliedern aus dem Herzen spricht Den Naiven unter ihnen gaukelt er die Erfüllung des pop-programmatischen Wunschtraumes vor: daß jeder ein Star werden könne. Für viele gibt’s ein böses Erwachen, wenn aus der Karriere nichts wird und gleichzeitg andere berufliche Qualifizierungen vernachlässigt wurden.

Der DRMV ist ohnehin das Sammelbecken der Enttäuschten – enttäuscht über das Ende der Rockmusik. Ursprünglich versprach Rockmusik JLove 8C Peace“ und hatte einen klar auszumachenden Gegner im Rassismus, Militarismus, dem Spießertum, der doppelten Moral. Heute ist noch der alternativste „Alternative Rock“ dazu verdammt, als Soundtrack für die Jeans-Reklame zu enden. Die Rockmusik hat mit ihren Gegnern auch ihr Motiv verloren, sie taugt nicht mehr zum Ausdruck der Differenz.

Insofern ist das Gefühl, der Jugend werde ihre Sprache genommen, nachvollziehbar. Aber das ist kein spezifisch deutsches Problem, sondern eines des gesamten Zeichensystems Rock und ein Problem der zur Ware verkommenen Kultur generell. Weltweit widersetzen sich fundamentalistische Bewegungen dieser „Kolonialisierung des Bewußtseins“. In modernen Gesellschaften nehmen sie dabei schnell sektiererische Züge an – eine Gefahr, gegen die auch der DRMV nicht gefeit ist.

Welche Rolle spielt Ole Seelenmeyer im DRMV?

Ganz gleich, wie die formalen Strukturen sein mögen – der Verein ist eine One-Man-Show. Ohne den Fleiß und das Agitationsvermögen seines Sprechers müßte der DRMV einpacken. Aus nahezu jedem Schreiben, egal wer es unterzeichnet hat, schlägt einem der typische Seelenmeyer-Sound entgegen, eine Mischung aus Pathos und Paranoia. Das hehre Ziel, das er predigt, heißt „Anerkennung der Rockmusik als Kultur“. Darin steckt ein Widerspruch: Rockmusik war einmal Opposition -jetzt will sie in den Kreis der Subventionsempfänger aufgenommen werden. Es ist fraglich, ob das ohne Identitätsverlust geht.

Diesem Zweifel will der DRMV abhelfen, indem er eine Wagenburg-Mentalität konserviert und sich von Angreifern umzingelt sieht: Staatsapparat, Medien, Plattenfirmen – im Prinzip jeder, der den Anspruch auf Alimentierung bestreitet Eine Mischung aus Größen- und Verfolgungswahn bestätigt das arme Rockerschwein in seiner Phantasie, es könne mit seiner Musik die Welt verbessern, würden Mächte der Finsternis ihm nicht an die Gurgel gehen. Die Seelenmeyer zugeschriebene Äußerung, die angelsächsische Musikindustrie betreibe „kulturellen Genozid“ an deutscher Rockmusik, bündelt das Ressentiment in einem geschmacklosen Slogan. Der DRMV sucht Erfolg in einer Opferkarriere.

Passen Rock und Verem zusammen?

Ein Verein ist nicht die angemessene Organisationsstruktur. Gerade innovative Künstler hat man noch nie bewegen können, sich um Satzungsfragen zu kümmern. Heute, nachdem mit Techno ihre Individualisierung zugenommen hat, dürfte das noch weniger der Fall sein. Die Mitgliedszahlen, mit denen der Verband Politikern seine Bedeutung nachzuweisen suchte, werden dann noch mehr zu vernachlässigen sein. Die gewitzteren Rock-Sachwalter haben längst das Terrain gewechselt und nicht etwa noch einen Verein gegründet, der – zwischen Trotz und Unterwürfigkeit schwankend um seine Anerkennung als „kulturell wertvoll“ barmt, sondern GmbHs gegründet, die Mehrwert schaffen.

Wie geht es mit der Förderung von Rockmusik weiter?

Dieses Thema wird auf Länderwie auch auf Bundes-Ebene demnächst in einer großangelegten Untersuchung behandelt. Ich verspreche mir davon eine Neubewertung bisheriger Fördermaßnahmen.

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