2,0 Air

Diese Männer, meistens die „zwei Franzosen“ genannt, haben ja ihren Ruf weg als Spezialisten für Entspannungs-Material, für Chill-out à la PR-Agentur, — aber falsch. Wer den Film „The Virgin Suicides“ gesehen hat, weiß es besser: Der Soundtrack von Air passte so gut zum Anblick der bleichen Kinder, dem Sofortbild-Grün der Wiesen, der Melancholie, die die Pubertät mit sich bringt. Die verwuschelten, verwaschenen Space-Echo-Softlieder handeln eigentlich von der Angst vor dem Erwachsenwerden, von der Flucht in einen Traum von Jugendlichkeit. Auf Cocktail-Parties wird doch nie so viel geseufzt.

So singen Air gleich im zweiten Stück ihres vierten Albums „I’m a little boy, you’re a little girl, once upon a time“. Mit schwülem Akzent, undefinierbar männlich-weiblich-erwachsen-minderjährigen Stimmen, synchron zum Glockenspiel, gefedert auf eine ausholende Piano-Etüde, bei der die Terrassentür gleich von selbst auffliegt und den Frühlingswind reinlässt, sodass die weiße Gardine wehmütig weht.

„Pocket Symphony“ ist gar nicht so übel, wie man es von einer Gruppe erwarten würde, deren Effekt-Repertoire sich mehr oder weniger auf das gerade Beschriebene beschränkt — Song-Künstlereien wie „Kelly Watch The Stars“ oder „All I Need“, die auch jenseits der Atmosphäre ihr Recht behalten, machen Air ja schon seit Jahren nicht mehr.

Die japanischen Elemente, die hier als große Neuerung versprochen werden, hört man in „One Hell Of A Party“, eine asiatische Harfe zum Klavier, und das 77-Prozent-Bittere in Jarvis Cockers Gastgesang beißt sich schon gewaltig mit dem Kitsch außenrum. Neil Hannon von The Divine Comedy passt in „Somewhere Between Waking And Sleeping“ freilich besser, aber insgesamt ist es ziemlich komisch, diesen vertrauten Gesichtern im endlosen, endlosen Traum von Air zu begegnen, unter Kaubonbons und Querflöten, zwischen Klavier- und Reitstunden auf dem Lande, Doktorspielen im Heuschober, der musikalischen Restaurierung alter Bilder, die eigentlich andere Leute verbrochen haben. Im weich schwapp-flackernden Instrumental „Mer De Japon“ hört man dann tatsächlich das Meer rauschen, aber es ist ein japanisches.

Mit anderen Worten: schön langweilig. Ein Geräusch, als ob ein sehr lockiges Mädchen im Sommerkleid die Treppe runterfällt, in Zeitlupe. (VIRGIN)

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