21 Gramm von Alejandro G.Inárritu :: Start 5.2.)

Sean Penn liegt reglos im Bett eines Krankenhauses. An seinem Körper sind Schläuche befestigt, sein Blick ist starr. Ein Gerät neben ihm zeigt seinen Herzrhythmus an, ein hüpfender Punkt, der schließlich zur Linie wird.

21 Gramm würde ein Mensch verlieren, wenn er stirbt, heißt es.

21 Gramm könnte aber auch das Gewicht einer Tod bringenden Pistolenkugel sein oder das einer Portion Sperma, die ein neues Leben zeugt. Um all das geht es in Alejandro Gonzalez Inärntus zweitem Film, in dem nichts gewiss ist und die Bilder täuschen, doppeln oder weglassen.

Wie bei seinem fulminanten Debüt „Amores Perros“ ist es ein Autounfall, der das Schicksal von drei Personen verändert und verbindet. Doch Inärritu zeigt ihn erst in der Mitte des Films, und selbst dann ist nur ein junger Mexikaner zu sehen, der mit einem Druckluftgerät das Gartenlaub wegfegt. Kurz vorher gehen ein Mann und zwei Kinder vorüber, dann rast ein Wagen vorbei, bis sich ein kurzer, heftiger Knall in das konstante laute Brummen des Druckluftgerätes mischt.

Das Auto kennt man zu dem Zeitpunkt schon. Es gehört Jack (Benicio Del Toro), Ex-Knacki, Gelegenheitsarbeiter, der den Halt im Glauben sucht und doch regelmäßig dem Jähzorn verfällt. Dann schreit er seine zwei kleinen Kinder an und schlägt seine Frau Marianne (Melissa Leo). Er hat in seinem Haus das Rauchen verboten, auf seiner Geburtstagsparty gibt es keinen Alkohol. In der folgenden Szene sieht man dann Cristina (Naomi Watts), die sich auf einer Begräbnisfeier mit Schnaps betrinkt. Der Collegeprofessor Paul (Sean Penn) folgt ihr täglich, beobachtet die einsame junge Frau in Bars. Er hat einen Herzfehler und nicht mehr lange zu leben, sollte für ihn kein passender Organspender gefunden werden. Seine Ehefrau Mary (Charlotte Gainsbourg) möchte ein Kind von ihm, doch Paul hat sich bereits aufgegeben und raucht auf der Toilette.

Inärritu hat die Chronologie seiner eigentlich einfachen Geschichte völlig gesprengt. Einige Bilder tauchen mehrfach auf, als würden sie sich an eine Ordnung, die Lösung unter Qualen langsam herantasten. Es wirkt, als gehe Inärritu zwei Schritte vor und einen Schritt zurück und umgekehrt. So entwickelt sich eine enorme Sogkraft in der narrativen Zerrissenheit, die auch die seelischen Zerwürfnisse der drei Personen spiegelt, ergibt sich ein jeweils anderer Sinn und tritt für Paul der Tbd letztlich zweimal ein.

„21 Gramm“ ist ein apokalyptischer Strudel, wie eine offene Wunde, in der die ohnmächtigen Emotionen schmerzen. Die Erkenntnis ist wie bei „Mystic River“ niederschmetternd: Das Leben hängt von Sekunden ab, eine Entscheidung kann alles zerstören, und der Intellekt kann das innere Chaos nicht besänftigen. Und Inärriti illustriert dies mit kunstvoller Radikalität.

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