3,0 KT Tunstall Drastic Fantastic

Sorry für die Ungleichbehandlung der Geschlechter, aber die Frage stellt man sich doch noch heutzutage: Welcher Typ Musikfrau ist das jetzt wieder? Die schlunzige Folksängerin, die sich nicht richtig kämmt und Stiefel zum Rock trägt? Die böhmisch angehauchte Pop-Künstlerin, die Damenmagazin-Reporterinnen ins Cafe einlädt, oder die Hut-tragende Durchgreiferin, die mit den Männern mehrere Hühner rupft und nur mit einem Tour-de-France-Sieger glücklich werden kann?

Dass, wenn wir schon so fragen, KT Tunstall natürlich alle drei Typen vereint, ist klar. Dass sie nichts davon überzieht, weder die Gefühligkeit noch das Authentische und Kämpferische— das macht sie zur mit Abstand angenehmsten der aktuellen Platin-Jungsongwriterinnen. Das ist freilich auch der Grund, warum die Schottin Tunstall von ihrer ersten Platte von 2005 über vier Millionen verkaufen konnte (eine davon in Amerika). Daran liegt es aber wahrscheinlich auch, dass einem selbst ihr zweites Album bei aller Liebe nicht so endgültig ans Herz wachsen will. Statt alles richtig zu machen, macht KT Tunstall vor allem nichts falsch.

„Drastic Fantastic“ schwingt daher vom Radio-schalen — mit populistisch simpler Melodie, den üblich verdächtigen Harmonien und der typischen gedoppelten Stimme im Refrain, die meiner Erinnerung nach Alanis Morissette in den weiblichen Rockgesang eingeführt hat – ins zutiefst Entzückende: die letzten drei Stücke zum Beispiel, gezupft, mit Tremologitarre und Mellotron-Flöten illustriert, in denen Tunstall ihre Vorstellung von Folk vom Himmel rieseln lässt. Die akustische Gitarre ist hier sowieso das wichtigste Instrument, das auch die härteren Stücke antreibt, trocken und gut ausgeleuchtet. In „Hopeless“ mit einem seligen, aus Country und Sixties-Jangle gemischten Gefühl, in „Hold On“ von einem Latin-Beat angefacht, der wohl ein hängengebliebener Gag ist, aber Tunstalls bluesiges Lamento brillant trägt.

Wenn KT Tunstall mit der Gitarre und ihrem eigenartigen Loop-Pedal auf der Bühne steht, tendiert sie mehr zum Feuermäuligen. Als Frau in Balance macht sie wunderschöne Mitsing-Platten. (VIRGIN)

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