45 R.P.M.

Ein Songtitel wie aus dem Smiths-Songbook, eine Sängerin wie Shirley Manson, nur jünger und hübscher und stimmlich unschuldiger, eine Band mit blödem Namen, aber von untadeliger Pop-Naivität, ein reizendes Cover (Sophie girlesk), farbiges Vinyl, free Poster: Das ist „A Pessimist Is Never Disappointed“ (Mercury) von THEAUDIENCE. Die beiden B-Seiten sind rüder, „Penis Size And Cars“ nur textlich, „Beils For David Keenan“ mit seinem schwankenden, schwirrenden Orgel-Instro-Kitsch nur musikalisch. Feine Single, Debüt-LP bereits in Sicht. 4,0

Überraschend die Kurve gekriegt haben KENICKIE, die im Laufe der letzten zwei, drei Singles böse abgebaut haben. „I Would Fix You“ (EMI) hat nichts von jenem schrillen OverkilL für den diese Mädchen letzthin gefürchtet waren. Im Gegenteil, die Melodie hat den Charme der Unfertigkeit, das Backing kommt dagegen auf den Punkt und der Gesang nur ganz leicht in Schräglage. The Mo-Dettes meet Belle & Sebastian, rery nice. 3,5

Noch überraschender ist die respektable Klasse von „Come Back To What You Know“ (Hut), der aktuellen 45 von EMBRACE. Das nächste große Ding aus England war bisher nur durch Blähungen und übelriechende Winde aufgefallen, die zwangsläufig auftreten, wenn man auf Teufel komm raus Oasis mit The Verve kreuzt, ohne einen Bruchteil von Noels Talent zu haben oder auch nur Ashcrofts Wangenknochen. Das Ergebnis klang zumeist wie Shed Seven für die Festivalwiese, kaum Pop, viel Plustern. Dies ist viel Pop, kaum Plustern. Geben wir Embrace also noch eine Chance. 3,0

THE HORMONES sind Big Country, Soul Asylum, die Rembrandts und Warm Jets in einem. Scheint zum Himmel zu stinken, ich weiß, aber „I Don’t Let Them Get You Down“ (V2) hat diesen undefinierbaren, organischen Ohrwurm-Charakter, der den harmlos plätschernden, keltisch verbrämten Singalong-Beat erträglich macht Wie damals die Connells mit ihrem unvermeidbaren Gassenhauer „74-75“ (oder so ähnlich). Perfide. 2,5

Ebenfalls subversiv, aber im positiven Sinne, wirkt auch „Fanfare“ (Sub Pop) von ERIC MATTHEWS. Ein fein ziseliertes Arrangement aus sub-barocken Trompeten und beiläufigem Jingle Jangle verkauft den doch eher komplexen Song so einschmeichelnd, daß er bereits nach dem ersten Hören hängenbleibt und wieder gehört werden mochte. Exzellent. 4,0

Zu einer von Britanniens besten Bands mausern sich derzeit fast im Geheimen GRAND DRIVE. Wie bereits die Vorgänger-Single „Tell It Like It Is“ stützt sich „On A Good Day“ (Vaclav) auf die Errungenschaften von drei Jahrzehnten Westcoast-Rock, aber nie spekulativ, nie soundgeil. Im Zentrum steht der Song, sehnsuchtsvoll und melancholisch, und die Gebrüder Wilson tragen ihn auf Händen ins Ziel, mittels Hammond und mit halbgeschlossenen Augen. Die Dylan-Lektion wurde verstanden, die Byrds nisten im Herzen. 4,0

Ästhetisch aus derselben Tradition, geographisch aber aus Köln kommen CHESTER, ein Quartett, das indes keinen Standort-Bonus braucht, weil die Musik auch locker ohne überzeugt „Lovecake“ (Day-Glo Records) ist sehnig und robust, die Vocals selbstsicher, die Gitarren ungepflegt Besser noch ist das subtil verhallte und nicht nur atmosphärisch „Beast Of Burden“ anverwandte „Your Groove“ auf der Flipside. „Warning: There’s no video available ofthese recordings“, verspricht das Cover. Solange es so bleibt, sind diese Jungs goldrichtig. Sollten mit Grand Drive auf Tournee gehen. 4,0

DIE ELEKTROS sind Die Sterne ohne Allüren, Tocotronic ohne Koketterie, aber mindestens so verschrammelt und auf adrette Art unmusikalisch wie die Hanseatenpopper. Und fast so eilfertig Bedeutung meidend, sinnabstoßend. Keine Frage, die Elektros könnten mit dem juvenilen Teutonenbeat ihrer 7inch-EP“Hier kommt Mr. Pop!“ (AI Gore groovt) eine neue Hamburger Schule gründen, gleich morgen. Fatalerweise wohnen sie in Berlin, wo man nicht viel gibt auf die Cleverness Heranwachsender und Texte, die so windig sind, daß sie sich sogar in Hamburg schwertun würden. 2,0

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