45 R.P.M. :: von Wolfgang Doebeling

Perfekten Pop gibt es nur in England? Stimmt. Im geistigen Sinne, im geographischen nicht unbedingt. Denn Albion ist überall, die nötigen Sensibilitäten sind global verbreitet, (nicht nur) den Beatles sei Dank. SPY haben mit Chris Robinson einen kanadischen Sänger, sind aber in Berlin beheimatet und dem perfekten Popsong bereits hart auf den Fersen. Ihrer zweiten 45 „Shadows“ (Marsh Marigold) fehlt nicht viel, um in die Walhalla des Pop aufgenommen zu werden und einen Platz zu finden zwischen „Time Of The Season“ und „Say You Don’t Mind“. Nur das konfuse Instrumental-Interplay stört, sonst ist alles da: „As Tears Go By“-Melancholie, knuspriger Klang, verträumter Gesang, Mut zu Lükken – und eine feine Hookline. Und – wer könnte einer Band Klasse absprechen, die live sowohl Dylan covert als auch Elvis (und beide mit demselben Elan)? Die Single des Monats. 4,0

Auch BLOCHIN 81 sind aus Berlin, auch sie huldigen dem Pop britischer Prägung (sogar auf demselben Label), doch ist ihre Variante jugendlicher, fetziger, pulpiger. „Do you wanna be a popstar or do you wanna stay a pop kid?“, fragt der Refrain von „Popstar“ drängelig und nicht sonderlich ohrwurmig. „Kid“ wäre die zur frischfröhlichfreien Musik passende Antwort, doch steht zu befurchten, daß die Blochins Stars werden wollen. Goodluck. HHH

Das Würzburger Quartett MILES hat ähnliche Ambitionen und mit V2 bereits ein potentes Label, das in den Traum investieren wilL „Pretty Day“ ist indes noch auf Spool Records, erinnert mit seinen forschen Gitarren, den naiven Text und den plötzlichen Breaks an die Wannadies und läßt für die Zukunft hoffen. Allerdings wird sich einiges von der Frische dieser Single verflüchtigen, wenn die Industrienorm erst mal zugeschlagen hat Video-Clips und anderer Promo-Krampf. Zu Gast bei Stefan Raab womöglich. Ein verdammt hoher Preis für 15 Minuten im Rampenlicht. Solange sie nur nicht den Pop verlieren. Abwarten. 3,5

Auch THE SANDVIPERS kommen aus deutschen Landen, genauer: aus Köln, doch haben sie mit Pop nichts am Hut. Die vier Tracks ihrer 7inch-EP auf Kaos Farm Records (im Schmirgelpapier-Cover!) weisen sie ab gestandene Roots-Rocker aus, mal an Onkel Neils Rockzipfel („No Road Song“), mal in Gun Club-Gefilden („Blind Justice In Texas“) oder in Südstaaten-Schweinerock suhlend („Growin‘ Older, Feelin‘ Younger“). Am besten sind die Vipern, wenn sie Here-Come-The-Snakes spielen: „Easy Things“ klingt tatsächlich wie ein Outtake von Green On Red. Frappierend. 3,0

Da ist es nicht weit zu THE BLUETONES, die ihr laszives und lüsternes „Sleazy Bed Track“ (Superior Quality) mit der nicht minder famosen nonLP-Flipside „The Ballad Of Muldoon“ gekoppelt haben, und auf der Innenseite des Picture-Sleeves mit einer Soft-Porn-Collage noch etwas für das Auge tun. Sleazy indeed. 4,0

Auch CATATONIA setzen einmal mehr auf Sex sowie das Zusammenspiel aller Sinne. Entsprechend ist ihre neue Single. „Strange Glue“ (Blanco Y Negro/WEA) kommt in farbigem Vinyl mit Foldout-Poster und dem Sticker „Parental Advisory -Explicit Lyrics!“. Dabei sorgt Cerys‘ Stimme für mehr Hitze und hormonelle Wallungen als der nur mäßig schlüpfrige Text. 3,5

THEAUDIENCE hauen mit „I Know Enough (I Don’t Get Enough)“ (Mercury) in dieselbe Promo-Kerbe (Farbvinyl, Poster), powerpoppen aber, wo frühere 45s eher unterschwellig wirkten. Sophie singt weniger exaltiert als Cerys, weniger erotisch nicht. 3,5

ELLIOTT SMITH schließlich bringt die Temperatur wieder herunter. „Ballad Of Big Nothing“ (Domino/RTD) kennt man bereits aus dem Album „Either/Or“, doch sind die beiden B-Seiten „Some Song“ und „Division Day“ bislang unveröffentlicht, und beide sind ganz hervorragend. Vor allem „Division Day“ mit seiner flüssigen Melodie und dem sehnigen, für Smiths Verhältnisse saftigen Arrangement wäre auch auf der LP ein Highlight. Mit dem Troubadour aus Oregon ist es wie mit dem schwachen Geschlecht: Es kommt spät, aber gewaltig. 4,0

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