45 R.P.M. von Wolfgang Doebeling

Kratzen wir ihn weg, den ganzen Shit on 45, der den Winter versaute, doch vergessen und vergeben wir nicht die schlimmsten Sünden: „“Betcha By Golly Wow“ von Russell Thompkins und seinen zuckrigen Stylistics einst vortrefflich jubiliert, wurde von Prince (kein Symbol-Scheiß in dieser Kolumne!) so gräßlich zerjault, daß einem die Haare zu Berge standen. Und Madonnas schon unsägliches Melodrama beim Absingen der Kitsch-Klamotte „“Don’t Cry For Me Argentina“ wurde flugs noch unterboten durch eine unheimlich unkomische Hanswurstiade derselben Schnulze von Mike Flowers und seinen Flops. Da bleibt Durchfall nicht aus. Es sei denn, man verfügt wie Arne Willander über die Geistesmacht, Schund verdaulich ironisieren zu können. Schon beneidenswert.

Wie No Way Sis, deren ganzer Stolz es ist, ihren Idolen in jeder Hinsicht zum Verwechseln ähnlich zu sein. Live ist das frappierend. Und amüsant, gerade weil das Wesentliche fehlt: die Aura, das Charisma. Die Clones sind Clowns. Auch auf Platte stimmt der Sound, doch ist die Musik nur ein Gag, den man folglich auch nur einmal goutiert: „“I’d Like To Teach The World To Sing“ (EMI) ist jener New Seekers-Song, der als Coke-Melodie millionenfach um die Welt ging und den Noel Gallagher auf seine unnachahmliche, nonchalante Art in „Shakermaker“ einbaute, getreu seinem Credo: Eine gute Melodie verdient Recycling. So wird aus einem Song ein Hit, dann ein Spot, dann ein Plagiat, welches als Cover wieder zum Hit avanciert. Sage keiner mehr, Pop sei Wegwerfware. Nicht, solange Noel regiert. 2,5

Flirteten Kenickie auf ihrer letzten Single, „“Millionaire Sweeper“, noch augenzwinkernd mit Phil Spectors patentiertem Unschuldslämmchen-Girlpop, gefallen sie sich auf ihrer vierten 45 „In Your Car“ (Premier/EMI) als feminine Ausgabe der Undertones, forsch und kokett, nur ein Ziel im von einer Tonne Wimperntusche verklebten Visier: teenage kicks. 3,5

Die Kostars könnten das US-Pendant zu Kenickie sein, doch sind Vivian Kimble und Jill Cunniff älter, spielen und singen aber deutlich dilettantischer. Das riecht, ich weiß, nach Kunstkacke. Ist es aber nicht. „“Hey Cowboy“ (Grand Royal) ist langsam und lakonisch, nervt zunächst mit quietschenden Synths, fällt dann aber in einen angenehm phlegmatischen, leicht einschläfernden Schunkelrhythmus. Für späte Stunden. 3,0

Ganz schräge Vögel sind The Stool Pigeons aus California. Sie verehren Herman’s Hermits und nachdem sie bereits „“There’s A Kind Of Hush“ respektvoll zerschrammelt haben, gelang ihnen nun für „“Take Love, Give Love“ (Sympathy For The Record Industry) ein veritabler Coup. Peter Noone, also Herman höchstselbst, hilft bei den Vocals aus. Auch der Song ist von ihm und so steht der perfekten Hermits-IIlusion nur der leidige Umstand entgegen, daß die Pigeons trotz größter Anstrengungen die alternativen Verunreinigungen nicht aus dem Gefieder kriegen. The Indie Hermits, would you believe. Really nice. 3,0

Die Wannadies sind in ein Karriereloch gefallen. Gerade, als ihre schwedischen Britpop-Happen begannen, in London reißenden Absatz zu finden, schlug das Schicksal zu. In Gestalt eines Anwalts. Seither liegen sie in juristischem Clinch mit ihrem alten Label MNW und ihr neues Album, das eigentlich schon im letzten Herbst erscheinen sollte, liegt auf Eis. Die Offensive scheint gestoppt, das Momentum in Gefahr. Da besann man sich auf eine List, wich nach Irland aus und nahm für ein winziges Label „“Hit“ (Fantastic Plastic) auf: kein Hit, aber trotziger, punkiger Powerpop, der Spaß macht und die Band im Gespräch hält. 4,0

Bezug: Mr. Dead & Mrs. Free, Bülowstr. 5,10783 Berlin; Outer Limits, PF 440321, 12003 Berlin; Rockin‘ Rollin‘ Products, Waldstr. 10,69234 Dielheim

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