45 RPM von Wolfgang Doebeling

Zwei Jahre ist es her, als BLUR mit der fabelhaften Lennon-Pastiche „Beetlebum“ Lust weckten auf den Hanstehenden Longplayer. „Tender“ (Food/EMI), Vorbote des avisierten neuen Albums „13“, wuchert dagegen mit ein paar von Paul McCartneys Tricks: Melodie süß und missionarisch, Text nett und nichtssagend, Arrangement alternierend zwischen Bescheidenheit und Bombast, Vortrag mit gerüttelt Gefühl und einer Prise Pathos. Das Gitarren-Intro ist countryesk, „Tender“ schleicht langsam und schaukelnd in die Gehörgänge, bläht sich dort auf zur Hymne und ist kaum wieder loszuwerden. „Love’s the greatest thing“, psalmodiert Dämon Albarn, der London Community Gospel Chor jubiliert, wieder und wieden „Hare Krishna“, schnaubt Arne Willander. Falsch. Nennen wir es säkularisierten Anglo-Bapristen-Pomp-Stomp. Oder einfach nun schööön. 4,0

GAY DAD heißt in England die Band der Stunde. Prima Name, doch was steckt hinterm Hype? Zunächst einmal mit „To Earth Wim Love“ (London/Motor) eine ungeheuer mitreißende Single, die Magazines „Shot By Both Sides“ evoziert, die Rolling Stones ’66. Roxy Music ’72. Bowie mit Mick Ronson in Overdrive. Supergrass in Höchstform. Rassige Psych-Gitarren, wild kaskadierende Keyboards, das Ende elegant ausgebremst. Piano. Fade. „That’s cool“, heult Cliff Jones und reimt darauf „Aerosmith rule!“. Moment mal. „Let’s getit on“, rast Jones weiter, „put your platforms on!“ Mir deucht, wir sind im falschen Film. Egal, ignorieren wir den seltsamen Sermon, drehen wir den Volume-Regler auf volle Kante und rotieren wir noch mal mit Vier Minuten Adrenalin-Druck, zehn Zoll Vinyl, fürwahr ein furioser Start. 4,5

Remixe sind für gewöhnlich reine Zeitverschwendung. So auch hier: „Delta Sun Bottleneck Stomp“ (V2) von MERCURY REV, auf deren „Deserter’s Songs“ ein etwas verquaster und mithin passender Epilog, wird hier von den Chemical Brothers aller musikalischer Besonderheiten entkleidet und, ruckzuck, über den House-Leisten gezogen. Das Resultat ist Marschmusik für den Dancefloor. „Kicking up the dust, constructing new ideals“, intoniert tonlos Jonathan Donahue. Diese 12inch kann er damit nicht gemeint haben. 2,0

Daß es auch anders geht und daß Remixe in seltenen Glücksfällen neue Dimensionen erschließen können, beweist ausgerechnet Trad-Rocker PAUL WELLER mit „Wild Wood“ (Island). Auf der A-Seite bleibt der besinnlich verklampfte Folk-Pop naturbelassen, für die Rückseite wurde er aber so lange ins Säurebad des patentierten Bristol-Sounds getaucht, bis er einen völlig anderen Charakter annahm: dampfend, ätzend, gefährlich. Paul Weller vs. Portishead, so steht es auf dem Cover. Ein Kampf, der unentschieden ausging und sich dennoch gelohnt hat Nächster Fight Morrissey vs. Massive Attack. 4,0

Vor zwei Jahren hatte es noch so ausgesehen, als mutierten ECHO & THE BUNNYMEN vollends zu Enemy & The Banalmen. Als wollten sie im Schlock-Sumpf suhlen, unweit der Simple Minds. „Rust“ (London/Motor) zeigt, daß diese Gefahr noch nicht gebannt ist, belegt aber auch, daß der Niedergang vorläufig gestoppt zu sein scheint Ian McCullodb verzichtet auf Emphase, der Song läuft rund. Okay. 2,5

Will Oldham aka BONNIE PRINCE BILLY läßt seiner exquisiten LP „I See A Darkness“ zwei weitere dunkle, dräuende Aufnahmen folgen. „Black Dissimulation“ (All City Nomad) ist die eine, die bessere „No Such As What I Want“. Stille Verzweiflung, glühendes Sehnen. Klingt wie ein Demo von Richard & Linda Thompson. 4,0

Noch düsterer und verlorener sind drei Songs von MISSOURI, einem Duo aus dem Fränkischen: „I Won’t Regret“, „The Loneliest Boy“, „To Say Goodbye“ (Red, Poppenreuther Str. 3, 90419 Nürnberg). Eine einsame Gitarre, Reverb in excelsis, die Orgel klagend, die Worte ohne Trost, lähmend langsam alles. „Traurig und wahr bis ins Gebein“ seien diese skelettierten Poeme zu schmucklosen Country-Akkorden, schreiben die beiden. Da möchte man lieber nicht tauschen. 4,0

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