Adrian Tomine – Halbe Wahrheiten
„Halbe Wahrheiten“ (Reprodukt, 13 Euro) von Adrian Tomine ist eine vielschichtige, ziemlich ambitionierte Comic-Variation über die Probleme der Paarbildung im akademisch aufgeklärten, multikulturellen Kontext, wo geschlechtsspezifische und ethnische Unterschiede offiziell keine Rolle mehr spielen, die einzelnen Protagonisten aber doch immer wieder mit gesellschaftlichen Erwartungen und eigenen Konditionierungen konfrontiert werden. Ben und Miko sind ein Paar mit asiatischen Wurzeln und vollassimiliert in der kalifornischen College-Szene. Es kriselt in der Beziehung, weil Ben ein uneingestandenes Faible für weiße Frauen hat. Dann erfährt er, dass sie schon eine Weile eine Beziehung mit einem US-Künstler laufen hatte. Das Gender-Thema lässt Tomine stets mitlaufen, indem er Ben die südkoreanische Powerlesbe Alice an die Seite stellt. Die Story hat ein bisschen zu sehr den Charakter einer Versuchsanordnung, wenn Tomine so ziemlich alle möglichen „Wer mit wem“-Konstellationen durchspielt. Aber seine szenische Lakonie, sein klarer, exakter Strich und die schwermütige Grundmelodie, die er mit vielen sprechblasenfreien Panels evoziert, beglaubigen die Wahrhaftigkeit dieser Geschichte.