ALANIS MORISSETTE – Supposed Former Infatuation Junkie :: MAVERICK/WEA
Ungefähr 28 Millionen Exemplare von „Jagged Little Pitt“ liegen in ebenso vielen Haushalten neben der Stereoanlage auf der Auslegeware – keine schlechte Bilanz für ein Album, das eigentlich eine Art „letzter Versuch“ war. Nach erfolgreicher Kinderstarkarriere zog die damals noch dauergewellte Popsängerin Alanis Morissette von Kanada nach Los Angeles, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Das ging natürlich erstmal schief. Private Enttäuschungen lieferten zwar genüg Futter für neue Songs, doch der ersehnte künstlerische Erfolg blieb aus. Alanis stand kurz vor dem Rückzug.
Erst ab Produzent Glen Ballard auf den Plan trat und die von der Großstadt traumatisierte Sängerin unter seine Fittiche nahm, klärte sich die Lage. Zusammen werkelte man an „Jagged Little Pill“, das bald darauf die Aufmerksamkeit Madonnas erhaschen konnte. Die Diva erkannte das Potential der Newcomerin und nahm sie für ihr Label Maverick unter Vertrag. Der Rest ist Geschichte.
28 Millionen, diese Zahl wiegt fast so schwer wie das Echo so hymnenhafter Hits wie „You Oughta Know“, „Ironie“ oder „You Learn“ – einen Nachfolger zu schaffen, der daneben nicht wie ein kümmerliches Häufchen wirkt – das war die Aufgabe, der sich Alanis Morissette in den vergangenen drei Jahren stellen mußte.
Das Ergebnis ihrer Bemühungen überzeugt durch innere Geschlossenheit Statt sich bei der Suche nach neuen Hymnen zu zerreißen, bemühte sich die 24jährige beim Songwriting erneut um Nachhaltigkeit Resultat: ein ganzer Korb neuer Hits, die aber jene rotzige Rock-Attitüde vermissen lassen, von der „Jagged Little Pill“ lebte. Die neue Alanis klingt ein bißchen ernsthafter, manchmal durchgeistigt an das gespenstische „Uninvited“ erinnernd, dann aber auch oft weinerlich und lahm. Die Wut ist raus, der Pep auch.
Über die Erfolgswahrscheinlichkeit von „Supposed Former Infatuationjunkie“zu spekulieren, ist mithin müßig. Das Album wird aus dem Stand an die Spitze der Charts schnellen, schon allein aufgrund der erwartungsfrohen Neugierde der zahlreichen Fans. Interessanter ist, daß Miss Morissette unbewußt ein ganz neues Genre erschaffen hat: Emo-Exploitation. Damit ist beileibe nicht die Versammlung empfindsamer Frauen namens „Lilith Fair“ gemeint Alanis ist noch zeitgeistiger als das. Mit spitzer Zunge und gewetztem Psycho-Skalpell seziert sie die Überreste ihrer zerbrochenen Liebschaften. Als „former infatuation junkie“, als ehemals Vernarrte in das Vernarrtsein, sollte sie davon schließlich ganze Gebirge besitzen.
bn störender Romantik befreit, analysiert Alanis ihre Beziehungen, so wie die junge, aufgeklärte Amerikaner der „Friends“-Ara es nun einmal gerne tun. Wie ein Hobby-Therapeut arbeitet Alanis auf, was das Zeug hält, dankt an der einen Stelle („Thank U“), entschuldigt sich an einer anderen („Are You Still Mad“), erinnert sich an nie abgeschickte Briefe („Unsent“) oder legt sich gleich auf „The Couch“. Für jeden möglichen Gemütszustand vor, während oder nach einer Affare gibt es mindestens einen der 17 Songs, der trifft. Ganz schön clever, wie da Felder abgeerntet werden, die von den Damen jones, Mitchell und Arnos bereits ausgiebig beackert worden sind. Leider wirkt ihre Version oft nur noch aufgesetzt und prätentiös.
Die pseudo-emotionale Abgeklättheit, mit der Alanis Morissette vorgeht, paßt aber perfekt ins gerade angebrochene Monicagate-Zeitalter. Intimes wird nicht mehr ins verschwiegene Tagebuch gekritzelt und, sondern gewinnträchtig verpackt, vermarktet und dem süchtigen Publikum in den Rachen geschoben.
Von der gezackten kleinen „Pille“ zum Junkie“ – paßt Millionen, seid umschlungen!