Alternativen von Michael Ruff
Die Mojave-Wüste war schon immer ein Magnet für visionäre Klangkünstler. Man denke nur an den Auftritt der Einstürzenden Neubauten an diesem ungastlichen Ort Daß unsere amerikanischen RS-Kollegen das neue Werk der Gruppe SCENIC als „vivid mindphoto of the mojave desert“ beschrieben haben, wirkt allerdings verwunderlich. Zwar laden die meditativen Gitarrenklänge durchaus zu intensiver Landschaftsbetrachtung ein, doch eignet sich der satte, hymnisch-durchfeuchtete Sound von „Acquatica“ (IPR/EFA) mindestens ebensogut für Regenwälder, Moore oder schneebedeckte Bergspitzen. Mit fortschrittlichen Instrumental-Bands wie Tortoise kann sich das Quartett um Bruce Licher (Ex-Savage Republic) aber nicht messen. Dafür hat das Album zu viele kitschige Passagen. 3,0
THE COCTAILS sind da von anderem Kaliber. Auch sie verzichten weitgehend auf Gesang, legen aber instrumental eine Tour de force hin, wie sie an Abwechslungsreichtum kaum zu übertreffen ist. Auch Vibraphon, Banjo und singende Säge gehören zu ihrem Arsenal, und stilistisch ist das Chicago-Quartett schon gar nicht festzulegen. Auf ihrer Abschiedsplatte „Live At Lounge Ax“(CarootTop/EFA) ziehen sie vor heimischem Publikum noch einmal alle Register. Man wird sie wohl nicht nur dort vermissen. 4,0
Von EUGENE CHADBOURNE will hierzulande niemand mehr was wissen. Wie sonst ist es zu erklären, daß kein hiesiges Kleinlabel bereit war, sein neues Album Jesse Helms Busted With Pornography“ (Fireant) zu lizensieren. Dabei braucht das als „Country & Western Opera“ untertitelte Werk den Vergleich mit Weens vielumjubelter Country-Exkursion nicht zu scheuen. Natürlich ist sein Humor nicht so subtil und auch nicht so Nashville-gerecht abgesichert, aber dafür kennt er sich in den Welten banjospielender Hinterwäldler so gut aus wie kein Zweiter. Mitgewirkt haben diverse Violent Femmes, Camper Van Beethovens und Ex-Mother Jimmy Carl Black. 4,0
Etwas ungesund sieht er aus, der gute NIKKI SUDDEN, so wie er sich auf dem Cover seiner neuen CD präsentiert Aber das hat dem Mann mit dem Augenaufschlag eines Leguans ja noch nie geschadet Die Jacobites sind ebenso passe wie sein Image als trauriger, rotweinschlürfender Akustik-Barde. Natürlich hat auch „Seven Lives Laler“ (Gütterhouse/EFA) entsprechende Schmachter zu bieten, aber im Vordergrund steht diesmal der energische Rocker, der seinen Keith Richards-Vorlieben freien Lauf lassen will. Aufgenommen mit stets wechselnden Begleitern in verschiedenen Studios in Frankreich, England, New York und Berlin ist die CD ein zerrissenes Stimmungsbild, wobei seine Stimme immer noch am besten klingt, wenn sie nicht gegen elektrische Gitarren anbrüllen muß. 3,5
Mit seinem Album „Fresh“ hatte PAT THOMAS Anfang des Jahres einen Überraschungscoup gelandet Für alle Fans hat er nun eine Live-CD zusammengestellt, die größtenteils auf dasselbe Material zurückgreift. Doch die Versionen sind denkbar unterschiedlich und außerdem mit etlichen Insider-Witzen gespickt, so daß sich die Anschaffung lohnt Im Handel ist „Steal This Riff“ allerdings nicht zu haben. Wer aber einfach 30 Mark (Cash oder Scheck) in einen Umschlag steckt und an The Pat Thomas Archives, P. O. Box 41 1141, SanFrancisco, CA 94141-1141, USA schickt, sollte das rare Teil innerhalb kürzester Zeit in Händen halten können. 4,0
Zum Schluß noch ein jahreszeitlich bedingter Einkaufstip: ETHAN JAMES, der Meister der Hurdy-Gurdy (Drehleier), ist ohne Frage eine Kapazität in Sachen mittelalterlicher Musik. Nun setzt er seiner Wissenschaft die heilige Krone auf: „The Ancient Music Of Christmas“ (Ryko/RTD) präsentiert ein ganzes Lexikon uralter, längst vergessener Weihnachtsmelodien, die eigentlich für Gesang konzipiert von ihm mühselig zu Instrumentalversionen umgearbeitet wurden. 3,0