Alternativen von Michael Ruff
Winter ist schon gut, aber nur an einem wohlbeheizten Fensterplatz. Schmutzig-trockene Schneeflächen reflektieren die grelle KühlschranLYINksonne, unter der die Außenwelt friert. Dazu hört man dann am besten Flying Saucer Attack. Entweder „“Distant Station“, bei dem der Dub-Spezialist Tele:Funken ältere atmosphärische Sketche des Bristol-Duos per Sampler herausgepickt und auf so dramatisch anmutende Weise neu zusammengesetzt haben, daß jede weiße Flocke ihre besondere Bedeutung erhält. Oder, wenn man es beschaulicher mag, die Single „“Sally Free And Easy“, ein Cover des Jazz-Klassikers aus den 50er Jahren. Zwar entschwanden die Worte im Äther, zwar lösen die Akkorde sich auf, aber so schläfrig, frei und leicht hat man sich trotzdem lange nicht gefühlt (Domino/RTD). 4,0
Dagegen ist schwer anzukommen. Wer außerdem sein Album „“Directions In Music“ nennt, muß an diesem hohen Anspruch gemessen werden. Bundy K. Brown (Ex-Tortoise) hat mit zwei Begleitern eine entspannte, kontemplative Instrumental-Rock-Scheibe eingespielt, die auf intelligente, wenn auch etwas schwermütige Weise zu unterhalten versteht. Aber richtungsweisend war diese Session nicht unbedingt (Naptime). 3,0
Noch mehr Instrumentals, noch mehr Tortoise-Einflüsse. Aber was können letztere dafür, daß auch Slow Loris eine Gitarrenband ist, die auf den Gesang verzichtet. Das streng durchkomponierte Material ihres Albums „“The Ten Commandments…“ (Southern/ EFA) wirkt stellenweise sehr überladen und wäre vor 20 Jahren gewiß als ein bloß zweitklassiger Jazz-Rock gebrandmarkt worden. 2,5
Auf positive Weise anstrengend gestaltet sich das Hörvergnügen bei Idiot Flesh:“ „The Nothing Show“ (Fidel/Bastro/EFA) ist ein widerspenstiges Biest, das keinem Trommelfell auch nur eine Sekunde Ruhe gönnt. Die Songs klingen sprunghaft, unberechenbar und erfordern höchstens technisches Können. Als Einflüsse wären Blues Explosion, Mr. Bungle und sogar der alte Zappa zu nennen. Doch Vorsieht: Wer sich allzu sehr auf diese Zeitraffer-Musik konzentriert, wird leichte Beute für den inneren Drehwurm. 3,0
Bedächtiger, doch nicht weniger abwechslungsreich, geht es bei The Red Krayola zu: (Drag City/Import) markiert immerhin das 30. Jubiläum der von Herrn Mayo Thompson angeführten Band. Das neue Album deckt die gesamte künstlerische Spannweite des texanischen Avantgardisten ab, und das ist nicht eben wenig. Mit einer reichen Platte wie dieser sollte er endlich auch bei den Plattenkäufern Anerkennung finden. 4,0
Das Quartett Rex wird von der Plattenfirma besonders für „“lazy saturday afternoons“ empfohlen. Auf ihrem zweiten Album „“C“ (Southern/EFA) spielen sie langausgebaute Songs, die an eine Mischung aus Lambchop und Codeine, gewürzt mit englischen Melodien und Experimentier-Passagen, erinnern. Sehr schöne Musik, doch etwas zu aufbrausende Gefühlswelten für einen solchen Tag. 3,5
Das Tageslicht entschwindet, die Stadt läßt ihre Fenster und Laternen aufleuchten – Zeit für Bohren Und Der Club Of Gore Ihre Doppel-CD „Midnight Radio“ (Epistrophy/Indigo) setzt dem Minimalismus eine neue Krone auf: Die elf titellosen Themen schreiten ebenso unauffällig und langsam fort wie der Einbruch der Dunkelheit Ein dominanter Baß, E-Piano und Gitarre spielen in harmonisch angepaßter Klangfarbe scheinbar zieltos umeinander herum. Musik wie das mahlende Geräusch der Luftmassen. Wer sich darauf einläßt, kuckt nie mehr auf die Uhr. 4,0
Zu dem finnischen Advanced-Techno-Architekten Jimi Tenor und seinem wunderbar melodisch rauschenden Reigen „“Intervision“ (Warp/RTD) erscheint demnächst mehr.