ALTERNATIVEN :: von michael Ruff

Jede Menge Neuheiten, also alles kurz und knapp: Schön, daß Carrie Bradley nach jahrelanger Karriere ab Gast- und Begleitmusikerin (Breeders, X-Tal, Ed’s Redeeming Qualities) den Mut gefunden hat, mit eigener Band namens 100 WATT SMILE an die Öffentlichkeit zu treten. Schade aber, daß sich die Songs von „And Reason Flew“ (Trocadero/Aris) schnell auf eine freundliche Mischung aus Breeders und Bedlam Rovers einpendeln und somit viel Stimmung, aber wenig Spannung erzeugen. Hier etwas mehr Watt und dort etwas mehr Smile wäre besser gewesen. 3,0

Einst spielten die CHEATER SLICKS regelmäßig Bostoner Kellerclubs leer, bis endlich Jon Spencer und seine Blues Explosion kamen, um mit einer Kopie ihrer Musik Furore zu machen. Nun revanchiert sich das Trio mit einem Doppel-Album sowohl wohl an der Verkünstlerung ihres Stils wie auch an der bislang ignoranten Öffentlichkeit. Auf „Forgive Thee“ (In The Red/ Hausmusik) klingt ihr Trash-Blues kultiviert wie niemals zuvor – sogar die Stones („Child Of The Moon“) kommen zu ihrem Recht. Es scheppert also wie damals in der Garage. Dekonstruktionen finden hier nicht statt. 3,5

Glaubt man Bands wie den Hellacopters oder Gluecifer, so liegt das Herz der Rockmusik derzeit in Skandinavien. Auch Oslos TURBONEGRO wollen in dieser Liga mitspielen, nur leider ist auf „Apocalypse Dudes“ (Boomba/Indigo) mehr Klamauk und Punk-Geschrubbe als astreiner Retro-Rock zu hören. Klarer Fall: Diese Band muß man erstmal live erleben. Auch wenn die Bühnenshow der Norweger ohne Blutkonserven (vgL auch GWA!) auskommt – auf Tonträger fehlt da irgendwas. 3,0

Daß man mit den Gitarren auch Gegenteiliges anstellen kann, zeigt das US-Quintett BEDHEAD. Auf „Transaction De Nora“ (Trance/EFA) greifen gleich drei Mann in die Saiten – und das mit einer Vorsicht, als wäre das Instrument ein rohes EL Resultat: ein meist zerbrechlicher SloMo-Sound, in dem die Songs einsam und verloren dahindriften. Tragisch, aber entspannend. Doch manchmal reißen die Schleier der Melancholie und lassen einen feinen Rocker wie „Psychosomatica“ entwischen. Schöne Platte. 3,5

Lo-Fi in Reinkultur – so ließe sich das Debüt der Niederländerin Elisabeth Esselink aka SOLEX beschreiben. Vor billigen Beats und Samples intoniert sie mit unsicherer Stimme Texte, die offenbar frisch aus dem Tagebuch stammen. Könnerhaft oder gar professionell klingt „Vs. The Hitmeister“(Matador/RTD) also überhaupt nicht. Dennoch kann ihr mitteilsamer Charme nur positiv bewertet werden: Hier gibt es keine Fassade, man darf der Künstlerin bei ihren intimen Bekenntnissen sozusagen über die Schulter schauen. So direkte Worte wie ihr ganz offensichtliches Vorbild Liz Phair findet sie allerdings nicht. 3,0

Das Gefühl der Sechziger mit dem Sound der frühen Achtziger für die Ansprüche der späten Neunziger kompatibel zu machen, haben sich TRUNK FEDERATION auf die Fahne geschrieben. „The Curse Of Miss Kitty“ (Alias/RTD) klingt so englisch, wie man es von Ami-Bands lange nicht gehört hat. Ihre Version von „I Don’t Like Mondays“ könnte dagegen von Devo sein. 3,0

Vor den Toren der künftigen Bundeshauptstadt hat sich ganz im Geheimen eine vielversprechende Band entwickelt: DESMOND Q HIRNCH stammen aus Potsdam und machen auf „Music“(Noise-o-lution/EFA) dem etwas anmaßenden Plattentitel alle Ehre. Dank ihrer perkussiven Ausrichtung (zwei Drummer nämlich) haben sie mit der Integration elektronischer Elemente weit weniger Probleme als die Konkurrenz von sonstwoher. Diese „Music“ ist kein Post-Rock, kein Crossover und dankenswerterweise auch nicht Guildo Hörn, klingt aber trotzdem so vielseitig und aufgeschlossen, daß auch für im Rock verwurzelte Bands wieder eine Zukunft sichtbar wird. Und das auch noch, fast unglaublich, im Deutschland dieser allgemein finsteren Zeiten. 4,0

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