Alternativen von Michael Ruff
Die berechtigten Lobreden auf Mike Watt und sein Album „Ball-Hog Or Tugboat?“ hatten die erfreuliche Nebenwirkung, daß die Erinnerung an seine erste Band nach all den Jahren nochmal aufgefrischt worden ist: MINUTEMEN waren das Power-Trio schlechthin, mischten mit ultrakurzen Song-Detonationen die kalifornische Punk-Szenerie der frühen 8oer auf und konnten nur durch den tragischen Verkehrstod des Gitarristen Dennis Boon vorzeitig abgewürgt werden. Zehn Jahre nach diesem Schicksalsschlag wird ihr reichhaltiger Songfundus nun ausführlich gewürdigt: „Our Band Could Be Your Live“ (EFA) ist der Titel einer CD, auf der 33 Bands und Solisten, darunter Thurston Moore, Meat Puppets und Free Kitten, den Pionieren Tribut zollen. Dabei scheint es den meisten darum gegangen sein, die reine Energie ihrer Frühzeit aufs neue anzuheizen – an große Songs wie „Jesus And Tequila“ oder „Little Man With A Gun In His Hand“ wagt sich leider niemand heran. Trotzdem: 4,0
Zur zweiten Generation von Bands (nach den Minutemen) auf dem ehemals so einflußreichen SST-Label gehörten Slovenly, deren Kern-Trio nun unter dem Namen OVERPASS das zweite Album vorlegt Daß Gitarrist Tom Watson außerdem bei der Avant-Band The Red Krayola mitwirkt, hat auf „Manhattan (Beach)“ deutliche Spuren hinterlassen: Was oberflächlich wie College-Individualismus klingt, entpuppt sich bei näherem Hinhören als klassischdurchdachte Komposition, bei der die üblichen Rock- und Pop-Verweise nicht wichtiger sind als der Wille zu experimenteller Kontur. (EFA) 3,5
Zu spät gekommene Grunge-Popper greifen da lieber zu KNAPSACK: Das Quartett aus dem staubigen Studenten-Nest Davis in Kalifornien läßt auf „Stirer Sweepstakes“ alles an Emo-Punk hochleben, was einst zwischen Lemonheads und Nirvana das Blut zum Kochen brachte. Und das nicht einmal schlecht: Jeder Song steht für sich und nimmt weder auf die rockenden Siebziger noch auf Lo-Fi-Charme irgendwelche Rücksichten. Erfrischend unhip! (Alias/ RTD)3,5
Pat Thomas hat hierzulande einen so guten Namen, daß schon sein Mitwirken als Drummer ausreicht, um ABSOLUTE GREY zu einer Doppel-CD-Retrospektive zu verhelfen. Dabei stammen sämtliche Songs mehr oder weniger aus der Feder des Front-Pärchens Mitchell Rasor/Bedi Brown „Broken Promise“ ist ein voluminöses Denkmal vorstädtischer Teenage-Angst zwischen Garagen-Folk und Freud’schen Komplikationen; historisch gesehen ein perfektes Stimmungsbild der mittleren Achtziger (Strangeways/Indigo). 3,0
Stilistisch Lichtjahre entfernt, doch im Grunde ebenso der vergangenen Dekade zugehörig präsentiert sich Jim Thirlwell alias FOETUS auf seinem neuen Werk „Gash“. Besondere Entwicklungen gibt es nicht, aber wer von seinen Highspeed-Sample-Trash-Orgien nicht genug kriegen kann, wird hier bestens bedient Ein Song trägt den deutschen Titel „Verklemmt“ – dem ist nichts weiter hinzuzufügen. (Big Cat/RTD) 2,0
Die Achtziger, dritter Teil: Bevor die Grunge-Welle kam, waren FUGAZI die bedeutendste Untergrund-Band Amerikas. Nach über zweijähriger Pause kommen die Erfinder des kneipenkompatiblen Melodie Hardcore nun mit „Red Medicine“. Die Duelle der beiden Gitarristen Ian MacKaye und Guy Piccilotto klingen nach wie vor verschärft, doch bewegen sich gerade mal die Hälfte der Songs auf bewährtem Terrain. Im zweiten Teil des Albums nimmt die Band gekonnt das Tempo heraus und wagt sich gar an Dub-Effekte. Ein gelungenes Comeback, das alte Fans wie Novizen gleichsam zufriedenstellen wird. (Dischord/EFA)3,5
„Handwriting“, das Debüt von RACHEL’S, bietet Kammermusik pur, eingespielt mit wohltemperiertem Piano, Streichquartett und zarter Gitarre. Für den albernen Mini-Trend namens Easy Listening ist das Ganze allerdings nicht geeignet – zu ernsthaft! (EFA) 3,0