Alternativen

Der Songschreiber STEPHEN YERKEY ist ein Berufsmusiker, der sich nicht zu schade ist, daheim in San Francisco auch mal in häßlichen Kneipen vor flackerndem TV zum Wochenend-Bums aufzuspielen. Seine letzte Plattenveröffentlichung, damals noch mit der Gruppe Nonfiction, liegt fast zehn Jahre zurück, und die Brötchen wollen schließlich verdient werden. Um so überraschender, daß er jetzt mit einer CD kommt, die so brillant und eigenwillig ist, daß sie in jede Songschreiber-Jahres-Charts gehört. Obwohl das Material überwiegend ruhig ist, scheint „Confidence, Man“ vor Energie zu platzen: Yerkey läßt seinen Bariton fliegen wie ein tiefergelegter Tim Buckley und überzeugt als linkischer Crooner inmitten von Pedal-Steel-Gitarren ebenso wie vor Memphis R&B. Dann läßt Yerkey seine exzellenten Begleiter verstummen, greift zur akustischen Gitarre und erzählt leise und völlig unpeinlich die Ballade mit der „Cocksucking Blonde“. Dazu gehört Persönlichkeit!

Neben Folk und Hardcore gibt es in San Francisco eine florierende Art-Rock-Szene. Die Band mit dem wunderbaren Namen THINKING FELLERS UNION LOCAL 282 hat es auch hierzulande zu einem bescheidenen Bekanntheitsgrad gebracht. „Strangers Front The Universe“ ist schon ihr sechstes Album und erfreut einmal mehr mit schlagseitigen Hymnen und skurrilen Ü-Raum-Takes. Alles leicht verbogen, aber nichts zufällig wie die jungen Sonic Youth ohne überflüssigen Krach.

Apropos Sonic Youth: Ihr Drummer Steve Shelley hat gemeinsam mit dem Sänger und Gitarristen Tim Foljahn eine seltsam entrückte, fast bedrückende CD eingespielt. Das Projekt firmiert unter dem Namen TWO DOLLAR GUITAR, und dem Plattentitel „Let Me Bring You Down “ ist wenig hinzuzufügen. Hier erlischt die Zeit, die Akkorde bewegen sich mit der Langsamkeit auseinander driftender Kontinente und lassen die gesamte Umgebung in der Versenkung verschwinden. Beim Hören der SILVER JEWS fallen einem automatisch Pavement ein. In der Tat fungieren Steven Malkmus & Co. auf „Starlite Walker“ (Domino/RTD) als Backing Band für einen gewissen David Berman, der den geneigten Hörer gleich mit dem Opener „Introduction II“ in seine Küche einlädt. Dort erzählt er gänzlich unaufdringlich kleine Lebensweisheiten zum Tee. Die löcherige, jedem Lärm entkleidete Low-Fi-Begleitung stört die intime Atmosphäre nicht.

Kim Salmon, ehemals bei den australischen Blues-Extremisten Beasts Of Bourbon, gilt unter Kennern als Meister des intelligenten Glam-Blues. Auf seiner letzten Platte „Sin Factory“ jonglierte er auf höchst geniale Weise mit allen Klischees der Rockmusik. „Hey Believer“ (Glitterhouse/EFA) zeigt nun sein anderes Gesicht: ein ernsthaftes, fast introvertiertes Songwriter-Album, bei dem lediglich die etwas überspannte Version von Hank Williams‘ „Ramblin‘ Man“ in die gewohnte Kerbe schlägt.

Aus dem hohen Norden, aus Trondheim/Norwegen nämlich, kommen Motorpsycho. Aber keine falschen Schlüsse des Bandnamens wegen: den Sound von Harley-Korsos sucht man auf der Doppel-CD „Tintothy’s Monster“ (Indigo) vergeblich. Vielmehr liefert das Quartett einen abwechslungsreichen, nie dröhnigen Psychedelic-Trip, der von sanften Märchenklängen über Beatles (Guru-Phase) bis zu stürmischen Gitarren-Festen reicht.

Zum Schluß ein Kuriosum: Jeb Loy Nichols und seine FELLOW TRAVELLERS sind für ihre einzigartige Mischung aus Country-Songs und Reggae-Grooves bekannt Die Ankündigung, ein rein instrumentales, an jamaikanischen Dub-Techniken orientiertes Album machen zu wollen, roch etwas nach Selbstüberschätzung, doch hiermit sei vermeldet, daß „A Few Good Dubs“ (Normal/Indigo) tatsächlich den amtlichen Boots-Sound drauf hat. Der Mann hat wirklich gut zugehört.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates