Andrew Bird – Weather Systems
Groß waren Entfremdung und Enttäuschung, als Andrew Bird 2001 sein letztes Album „The Swimming Hour“ vorlegte. Zumindest unter den, im Wortsinn, harten Fans, die den Django Reinhardt-goes-Cabaret-Fake-Jazz seiner ersten beiden Alben „Thrills“ und „Oh, Grandeur“ goutiert hatten und nun gefälligst noch mehr „Neo-Swing“ wollten. Wenn er ein neues Philip-Glass-Werk kaufe, brachte ein Amazon-Kunde seinen Frust auf den Punkt, „rechne ich ja auch nicht damit, Mötley Crüe zu hören.“ Den verbliebenen und neuen Interessenten, die gerade die Öffnung zu Wings-Pop, JumpBlues und ja: auch Rock begrüßt hatten, dreht der Geiger, Sänger und Songschreiber aus Chicago jetzt mit „Weather Systems“ aber schon wieder eine reichlich lange Nase.
Vielleicht pfeift Bird deshalb gleich so keck in die Kulisse, nicht aus dem letzten Loch noch im Walde. Auch wenn „Weather Systems“ da draußen auf dem Land entstand, irgendwo in Illinois, assistiert von Produzent Mark Nevers (Lambchop). Es ist das erste Bird-Album, das nicht mehr mit dem Band-Zusatz Bowl Of Fire firmiert. Und das vollkommen zu Recht. Gewiss, die alten Mitstreiter Kevin O’Donnell (Schlagwerk, Glockenspiel) und Nora O’Connor (Gitarre, Gesang) treten noch in tragenden Nebenrollen auf. Doch im Zentrum stehen hier Birds weiche, einnehmende Stimme und eine Geige, die nie nur virtuoses Anhängsel der Songs bleibt, mal minimalistisch, mal orchestral. Auch wenn beide nicht immer so erhaben zusammenfinden wie im Titelsong.
„Weather Systems“ beginnt mit „First Song“ noch fast traditionalistisch. Pfeifen, Pizzicato, eine erste Ahnung der Harmonies mit O’Connor. Doch schon „I“ ist so nackt-geworfen wie sein Titel und fährt die Idylle der Erinnerung mit dissonanter Verve gegen den nächstbesten Baum. Die Spieluhr-Melodie des bezaubernden „Sovay“ schaukelt sich aus einem Sprechgesang noch einmal beseelt hoch, nur um sogleich „Skin“ perkussiv dazwischenfahren zu lassen. Und wieder wird gepfiffen! Nicht so im Cover von „Don’t Be Scared“ (Original: Handsome Family), wo Glockenspiel, Kopfstimme und Harmonies reichen Trost verströmen. Sagen wir so: „Weather Systems“ ist genau die richtige Platte für alle, denen bisher weder das Pfeifen noch das Geigenspiel als Ausdrucksmittel von Pop (im weiteren Sinne) geheuer waren. Und zusammen schon gar nicht.